Zum Inhalt

Reform der Außergerichtlichen Streitbeilegung

Neues System in der EU ab 2015

Die EU-Kommission will verstärkt Streitfälle mit Firmen ohne Gerichte lösen. Das neue System soll von 2015 an funktionieren.

Im Jahr 2010 hatte jeder fünfte europäische Verbraucher Probleme beim Erwerb von Waren oder Dienstleistungen im Binnenmarkt.

Wenn ein Unternehmer sich während der Garantiezeit weigert, Ihren Laptop zu reparieren, oder wenn Sie sich mit dem Reisevermittler nicht auf eine Rückerstattung wegen eines missratenen Urlaubs einigen können, müssen Sie nicht unbedingt vor Gericht gehen. Allerdings ist die außergerichtliche Streitbeilegung in der EU bislang nur für einige Branchen bzw. in einigen Gebieten möglich.

Problemlösung ohne Gericht

Um hier Abhilfe zu schaffen, hat die Europäische Kommission heute zwei Vorschläge für Rechtsakte unterbreitet, mit denen gewährleistet werden soll, dass alle EU-Verbraucherinnen und –Verbraucher ihre Probleme ohne Einschaltung eines Gerichts lösen können, und zwar unabhängig davon, um was für eine Ware oder Dienstleistung es in dem vertraglichen Streit geht und wo (im eigenen Land oder im Ausland) das Rechtsgeschäft im europäischen Binnenmarkt zustande gekommen ist.

Für Verbraucher, die über Landesgrenzen hinweg online shoppen, möchte die Kommission eine EU-weite, einheitliche Online-Plattform schaffen, mit der sich vertragliche Streitigkeiten innerhalb von 30 Tagen vollständig beilegen lassen.

Schneller, billiger und einfacher

Die alternative Streitbeilegung ist für die Verbraucher schneller, billiger und einfacher als ein Gerichtsverfahren. Ein allgemeiner, EU-weiter Zugang zu hochwertigen alternativen Streitbeilegungsverfahren wird für die Verbraucher Einsparungen von jährlich rund 22,5 Mrd. EUR mit sich bringen.

Zugleich trägt ein außergerichtlich beigelegter Streit zur Kunden- und Imagepflege bei. Mit dem neuen Vorschriftenbündel strebt die Kommission an, dass die Verbraucher dem EU-Binnenmarkt – mit seiner größeren Auswahl und günstigeren Preisen – mehr Vertrauen entgegenbringen und auf diese Weise zum Wachstum der EU-Wirtschaft beitragen.

Vorschlag der EU-Kommission

Die Richtlinie über alternative Streitbeilegung (AS) wird gewährleisten, dass für alle vertraglichen Streitigkeiten zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmen gute außergerichtliche Streitbeilegungsstellen zur Verfügung stehen.

Der Vorschlag sieht im Einzelnen Folgendes vor:

  • Die AS-Einrichtungen müssen bestimmte Qualitätsanforderungen in puncto Qualifikation der Mitarbeiter, Unparteilichkeit, Transparenz, Effektivität und Fairness erfüllen.
  • Die Unternehmen müssen ihre Kunden informieren, welche AS-Stelle für potenzielle Streitigkeiten zuständig ist.
  • Die AS-Einrichtungen müssen den Streit innerhalb von 90 Tagen regeln.

EU-weite Online-Plattform

Mit der Verordnung über Online-Streitbeilegung (OS) wird eine EU-weite Online-Plattform ("OS-Plattform") geschaffen; über sie können Verbraucher und Unternehmen Streitigkeiten im Zusammenhang mit Online-Einkäufen in einem anderen EU-Land online regeln.

Diese Plattform wird

  • die Verbraucherbeschwerde automatisch an die zuständige nationale AS-Stelle weiterleiten und
  • für eine Beendigung des Streits innerhalb von 30 Tagen sorgen.

Was bringt das Verbrauchern und Unternehmen?

  • Der Verbraucher wird Zugang zu einem wirksamen und kostengünstigen Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten mit Unternehmern haben, und zwar unabhängig davon, welches Produkt oder welche Dienstleistung er erworben hat, wie er dies getan hat (online oder offline) und wo in der EU dies geschehen ist (ob in seinem Wohnland oder im Ausland).
  • Verbraucher, die online in einem anderen EU-Land einkaufen, werden ihre vertraglichen Streitigkeiten mit EU-Unternehmern von A bis Z online abwickeln können.
  • Für die Verbraucher würde dies Schätzungen zufolge Einsparungen in Höhe von rund 0,2 % des Bruttoinlandsprodukts der EU bedeuten (22,5 Mrd. EUR).
  • Für Unternehmen ist die Möglichkeit, eine Streitigkeit außergerichtlich beizulegen, von zentraler Bedeutung, um die Beziehungen zu ihren Kunden und ihr Image zu pflegen; außerdem ersparen sie sich die Kosten eines Rechtsstreits.
  • Verbraucher und Unternehmer in ganz Europa werden die Gewissheit haben, dass alle außergerichtlichen Streitbeilegungsstellen denselben Anforderungen genügen und transparent, hoch qualifiziert, unparteiisch, effektiv und fair sind.
  • Wenn mehr Vertrauen herrscht, wird dies dazu führen, dass die Verbraucher verstärkt nach guten Angeboten und günstigen Preisen im EU-Binnenmarkt suchen werden.

Hintergrund

Die alternative Streitbeilegung (AS) funktioniert über einen neutralen Dritten (etwa einen Schlichter, Mediator oder Ombudsmann). Sie ist billiger, schneller und einfacher als der Gang vor Gericht. Derzeit bestehen in der EU über 750 AS-Einrichtungen. In einigen EU-Ländern gibt es sie jedoch nur in bestimmten Regionen oder für bestimmte Branchen (z. B. Finanzdienstleistungen oder Telekommunikation).

Das Konzept der alternativen Streitbeilegung ist bei Verbrauchern und Unternehmen kaum bekannt. Online-Systeme für die Beilegung von Streitigkeiten bei grenzüberschreitenden Online-Einkäufen sind überhaupt noch nicht entwickelt. Schätzungen zufolge belaufen sich die Kosten für nicht geregelte Verbraucherstreitigkeiten auf 0,4 % des BIP der EU. Darin eingeschlossen sind die Einbußen von europäischen Verbrauchern (in einer geschätzten Höhe zwischen 500 000 Mio. und 1 Mrd. Euro), wenn es bei Einkäufen in anderen EU-Ländern Probleme gibt.

Wie geht es weiter?

Das Europäische Parlament und der Rat der EU haben zugesagt, das Maßnahmenbündel als prioritäre Aktion der Binnenmarktakte bis Ende 2012 anzunehmen. Damit wird auch eine der Maßnahmen der Digitalen Agenda für Europa umgesetzt. Danach werden die EU-Mitgliedstaaten 18 Monate für die Umsetzung der AS-Richtlinie haben. Das bedeutet, dass in der zweiten Hälfte 2014 überall in der EU eine hochwertige außergerichtliche Streitbeilegung möglich sein sollte.

Die einheitliche EU-weite Plattform für Online-Streitbeilegung wird sechs Monate später, also Anfang 2015, einsatzbereit sein, weil zum Teil vorher noch außergerichtliche Streitbeilegungsstellen geschaffen oder ausgebaut werden müssen.

© Europäische Union, 1995-2011

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Was man bei Aufträgen ins EU-Ausland beachten sollte

Was man bei Aufträgen ins EU-Ausland beachten sollte

In unserem globalisierter Alltag ist die Beauftragung ausländischer Firmen nichts Außergewöhnliches mehr und die Dienstleistungsfreiheit ein Grundrecht in der EU. Wir klären auf welche Regeln und Pflichten gelten und worauf man achten sollte, bevor man Aufträge an ausländische Firmen erteilt.

Sozialministerium
VKI
EU
ECC
Zum Seitenanfang