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Fünf Buchrücken liegender alter Bücher mit Ledereinband
Der immaterielle Wert von antiken Büchern übersteigt normalerweise den erzielten Wiederverkaufswert. Bild: rawpixel.com / freepik

Abzocke mit neuen alten Büchern

, aktualisiert am

Bei Haustürgeschäften werden zunehmend dubiose Angebote mit neuen und antiken Bücher unterbreitet. Werber bringen vor allem Pensionisten um tausende Euro, indem diesen eingeredet wird, in Nachbildungen von Druckwerken oder die Zertifizierung der eigenen Bibliothek zu investieren. Gemein ist den Angeboten eines - das Versprechen mit Büchern eine lukrative Wertanlage zu tätigen. Die Mehrzahl dieser Versprechen ist in hohem Maße unseriös!

Büchernepp nun auch bei uns

Ihre Zielgruppe haben sich die windigen Buchhändler vor allem bei Älteren aus den 1930er oder 1940er Jahrgängen gefunden. Aber auch Berufstätige fallen auf den Nepp mit überteuerten Büchern herein. Das "Geschäft" läuft in Deutschland schon mehr als 15 Jahre lang und war wiederholt in deutschen Rundfunksendungen auf WDR, Sat1, ZDF und BR zum Thema. Allerdings haben die dubiosen Anbieter und deren heimische Ableger in den letzten beiden Jahren auch Österreich, die Schweiz und Belgien als Markt entdeckt. Dabei wurden Verkaufsstrategien und entsprechende Vertragsklauseln angepasst. Etwa 15 deutsche Firmen aus Deutschland stehen auf der Liste der Rechtsanwaltskanzlei SDK (Bielefeld), welche rund 1500 Übervorteilte vor deutschen Gerichten und eine Schadenssumme in Millionenhöhe vertritt.

Wie es abläuft

"Handelsvertreter" der meisten dieser Firmen sind schon seit Jahren unterwegs, und in der Regel bahnen sie ein Haustürgeschäft per Anruf an. Die Werber wecken das Interesse zum Beispiel mit der Aussage, dass die Bertelsmann oder Brockhaus Lexika nun Weltkulturerbe der UNESCO seien und Sammler nun viel Geld dafür bezahlen würden. Leider willigen daraufhin viele der Angerufenen ein, wenn sich die Verkäufer in die Wohnung einladen. Egal ob Lexikon, Buchsammlung oder antike Bibel - Versprochen wird immer die angeblich gute Wertanlage der Druckwerke, eine bedeutende Steigerung sei zu erwarten, und ein garantierter Wiederverkaufswert sei gegeben. Viele Geprellte kaufen nicht aus Liebhaberei zu alten Büchern, sondern schlichtweg wegen des vermeintlichen Gewinns.

Alte Bücher sind nur dann eine gute Wertanlage,  wenn man genau weiß, was man tut. Bei gefragten Exemplaren liegen die Wertzuwachsraten im stabilen zweistelligen Bereich. Dennoch gilt es auch beim Verkauf aufzupassen. Fachauktionshäuser für alte Bücher lassen sich den Weiterverkauf zu deftigen Konditionen bezahlen. 60% des Buchwertes und mehr werden nach einer erfolgreichen Versteigerung als Kommission einbehalten.

Folgende Methoden werden berichtet:

  1. Angeeignetes Renommée
    Die Leute, die in die Wohnung kommen, behaupten manchmal von einem renommierten Verlag zu kommen, zum Beispiel von Bertelsmann oder Brockhaus. Das ist schlichtweg eine Lüge, um einen Fuß in Ihre Türe zu bekommen. Die Buchklubs dieser Verlage (Lexikothek) hatten in den 80er und 90er Jahren mehrere Millionen Mitglieder. Nur es gibt sie seit 2014 nicht mehr und die alten Kundendatenbanken gerieten scheinbar in falsche Hände.
    Wir raten sich auf keine Treffen einzulassen und ungebetene Werber wegzuschicken. Unterschreiben Sie an der Haustür niemals Verträge!
     
  2. Lexikonsammlung "vervollständigen"
    Am Telefon wird potentiellen Kunden angeboten, die eigene Lexikon- oder Buchsammlung für einen lukrativen Weiterverkauf begutachten zu kommen. Beim  Termin vor Ort raten die Vertreter dann zum Erwerb von Exemplaren, die in der Sammlung fehlen würden und deren Hinzufügen die Sammlung angeblich wesentlich wertvoller machen würde. Nach dem Zukauf wird die Sammlung allerdings nicht wie erhofft weiterverkauft und die Kunden bleiben auf ihren Ausgaben -  alt wie neu - sitzen. Die Bücher sind ansprechend mit Ledereinbänden und optischen Verzierungen, wie etwa Halbedelsteinen versehen, die hohen Summen von mehreren Tausend Euro aber garantiert nicht wert. Im Gegenteil, seit den frei zugänglichen Wissensportalen im Internet haben gedruckte Lexika einen dramatischen Wertverfall erlebt, egal wie opulent sie aussehen mögen. Auch wenn Prachtbände nicht dem Hauptzweck als Nachschlagewerk dienen und eine ganz andere Zielgruppe ansprechen, schadete dies ihrem Wert allgemein.
    Nutzen sie das 14-tägige Rücktrittsrecht bei Haustürgeschäften! Mit Blick auf den völlig überhöhten Buchpreis ist die Nichtigkeit des Vertrages wegen Wucher denkbar und im Einzelfall zu prüfen.
     
  3. Digitales Buchregister
    Hier unterzeichnen die Kunden einen Vertrag, der dem Vertreter zutritt zur Wohnung zum Zwecke der Bestandsaufnahme in eine online Datenbank zusagt. Die Versprechung ist, dass die eigene Buchsammlung für potentielle Käufer so viel einfacher einsehbar ist und somit ihr Wert erheblich steigen würde. Es wird ein  "Echtheitszertifikat" ausgestellt und eine repräsentative Plakette in einer Schatulle zugeschickt. Kunden werden weitere Ankäufe aus dem Sortiment des Händlers und ein Teilzahlungsplan angeboten. Erfassung der eigenen Bücher und "Zertifikat" kosten Kunden zwischen 1500 und 3000 Euro. In den uns vorliegenden Verträgen ist ein Widerrufsformular enthalten.
    Sie sollten binnen 14 Tagen von diesem Vertrag zurücktreten, das Unternehmen muss Ihnen jegliche von Ihnen geleistete Zahlung rückerstatten. Sie müssen dabei eventuell zugekaufte Bücher und die Plakette zurücksenden.
     
  4. Nachlassverwaltung
    Der neueste Schmäh ist es, vor allem greise Kunden zu überreden die eigene Bibliothek durch den Vertreter zu erfassen und den Erben nach dem Ableben als Gesamtheit zu vermachen. Hierbei setzen die Vertreter auf die emotionale Bindung der Buchbesitzer zur eigenen liebgewonnen Sammlung, auf den Erhalt ihrer Gesamtheit, und suggerieren übertriebene Sachwerte, welche Laien nicht nachprüfen können. Das Unternehmen verspricht, dass die Buchsammlung in ihrer Gesamtheit vererbt würde und verrechnet für die Bestandsaufnahme in eine eigene Verkaufsplattform und deren eventuelle Verkaufsabwicklung für die  Eigentümer selbst oder eben deren Erben. Eigentümern wird somit ein höherer Wert in Aussicht gestellt, um sie zur Bezahlung der teuren Dienstleistung zu bewegen. Die Listung der Sammlung in der Verkaufsplattform steigert jedoch nicht den Wiederverkaufswert, der Erben potentiell zugute käme, denn er war im Normalfall schon zuvor nicht in der in Aussicht gestellten Höhe vorhanden.
    Wer seine Bibliothek als Gesamtheit vererben möchte, sollte das notariell regeln.
     
  5. Finanzierung
    Bei den hohen Summen sind oft Teilzahlungspläne Teil des Vertrages. Vertreter vermitteln auch Darlehensverträge mit einer Bank, oftmals wenn Kunden im hohen Alter zur Anschaffung überredet wurden und sich den Aufwand spontan nicht leisten können. Im schlimmsten Fall können diese Kredite für z.B. Bezieher*innen einer Mindestpension existenzbedrohend sein.
     
  6. Sachwucher bei Faksimile
    Vom Kauf von Faksimiles (Nachbildungen historischer Werke) wie etwa von antiken Bibeln, Atlanten, Partituren etc. an sich ist nicht pauschal abzuraten, aber nur sofern der Preis angemessen ist. Unseriöse Verlage aber verkaufen diverse Prachtexemplare weit über dem tatsächlichen Wert. Zum Verlustgeschäft werden Faksimile dann, wenn Laien massenhaft hergestellte oder als Unikat beworbene Produkte untergejubelt werden, die sich nach einer unabhängigen Prüfung als gekaufte Katze im Sack herausstellen. Der Wert einer Faksimile ergibt sich aus drei Faktoren: 
  • Handwerkliche Qualität: Bei der Ausführung der problematischen Stücke als Teilfaksimile handelt es sich nicht um die exakte Nachbildung eines antiken Originals. Die feilgebotenen Ausgaben sehen zwar auf den ersten Blick prächtig aus, das Aussehen soll vor allem Laien beeindrucken. Sie sind aber weit weniger wertvoll, als wissenschaftlich korrekt hergestellte Faksimile. Ein seriöser Verlag kann beim Verkauf ein Gutachten eines zertifizierten Sachverständigen zu Stück vorlegen. Solche Gutachter prüfen Kostenaufwände und Methodik der Hersteller der Bücher unabhängig vom Verlag. Unseriöse Verlage hingegen schützen mit selbstgemachten Zertifikaten den Anschein von Wertigkeit nur vor.
  • Auflage: Es gibt einfach zu viele davon, die Auflage ist zu groß. Zum Beispiel wurden die Bibeln des Coron Verlages schon in der Erstauflage aus den 90er Jahren zu Tausenden gedruckt und immer wieder nachproduziert. Die beiden Bücher wurden früher um die 2500 EUR vertrieben, Experten sehen deren Wert derzeit bei etwa 300 EUR. 
  • Nachfrage: Langfristig ist zu beobachten, dass der Markt schrumpft, die Zahl der Sammler:innen verringert sich, die veraltete Käuferschicht stirbt weg, Neue kommen kaum hinzu.

    Minderwertige Faksimile-Ausgaben, gelten laut zertifizierten Experten entgegen der Versprechungen der Werber als schwer verkäuflich, man bekommt beim Verkauf nur einen Bruchteil des Neuanschaffungswertes zurück. Auch das Versprechen des Anbieters beim Weiterverkauf zu helfen, wird nicht gehalten. Solche Verkaufsagenten sind nach Vertragsabschluss in der Regel nicht mehr erreichbar. Im EVZ liegen Fälle vor, wo Geschädigte um die 10.000 Euro für Faksimile ausgaben, die laut Expertengutachten maximal wenige hundert Euro wert sind. Es sind Fälle aus deutschen Printmedien bekannt, wo Kunden sogar zigtausende bis hin über hunderttausend Euro bei längeren Vertragszeiträumen ausgaben.
    Es empfiehlt sich bei einem gerichtlich zertifizierten Sachverständigen ein Gutachten einzuholen, welches auch bei einem Prozess hält. Oft werden Käufer:innen nicht gesetzeskonform über Ihre Widerrufsrechte aufgeklärt; mit unserer Hilfe versuchen Sie den Kaufvertrag zuerst außergerichtlich rückabzuwickeln. Wenn das nicht hilft, ist eine Klage überlegenswert.

Hoher Schaden und große Scham

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es sich bei diesen Diensten um Schwindel mit vorgetäuschten Werten handelt. Egal ob bei Nachbildung antiker Exemplare, der Ergänzung fehlender Lexika oder der Verwaltung der eigenen Buchsammlung, die versprochenen Wertzuwächse sind irreführend. Sobald das Geschäft abgeschlossen ist, bleiben die Vertreter die in Aussicht gestellte Unterstützung schuldig. Wer auf diese Weise über den Tisch gezogen wurde und mehrere Tausend Euro verloren hat, fühlt sich oft beschämt über die eigene Leichtgläubigkeit oder die Gier hiermit schnelles Geld gemacht haben zu wollen. So beobachten wir öfter, dass sich nur Vertreter oder Verwandte der Geschädigten an unsere Beratungsstelle wenden. Es ist aber wichtig schnell zu handeln, denn Haustürgeschäfte lassen sich nur dann relativ leicht rückgängig machen, so lange noch nicht zu viel Zeit vergangen ist!

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