Amazon bietet immer mehr Services, die das Leben erleichtern sollen, und klinkt sich stets ein Stück weiter in unseren Alltag ein. Die gesammelten Daten verhelfen dem Unternehmen zu noch mehr Macht und Geld.
Amazon ist der weltweit größte Händler im Internet. Kaum ein anderes Unternehmen hat eine ähnlich marktdominierende Stellung. Auch hierzulande nimmt die Firma unter den Onlineverkäufern den ersten Platz ein – und dann kommt erst mal lange nichts.
Durch rechtswidrige Klausel auf den 1. Platz
Erkämpft hat sich Amazon den ersten Platz vor allem mit seinem meist reibungslos und rasch funktionierenden Zustellsystem und mit verhältnismäßig günstigen Preisen quer über die ganze Produktpalette. Ein Wettbewerbsvorteil, den Amazon dadurch erzwungen hat, dass seine Händler jahrelang eine rechtswidrige Preisparitätsklausel akzeptieren mussten. Mit der hatte sich das Unternehmen versichern lassen, dass seine Partner die Ware nirgendwo sonst billiger verkaufen.
Außerdem bekommen Amazon-Kunden ihre Ware ab einem Bestellwert von 29 Euro (bis vor wenigen Monaten schon ab 20 Euro) gratis zugeschickt (gilt nicht für den Einkauf bei einem Partnerhändler) und können diese in den meisten Fällen kostenlos zurücksenden – ein weiteres Plus, das für hohe Kundenzufriedenheit sorgt. Und die ist, wie Amazon-Chef Jeff Bezos immer wieder betont, das oberste Ziel des Unternehmens.
Schlechte Arbeitsbedingungen
Als seine Firma vor gut zwei Jahren wegen schlechter Arbeitsbedingungen Negativschlagzeilen im deutschsprachigen Raum machte, kam es zu Boykottaufrufen. Doch nachhaltig geschadet hat das dem Unternehmen nicht. Bei den Kunden dürften der günstige Preis, die verlässliche Lieferpraxis und das Amazon-Credo, im Zweifelsfall auf der Seite des Kunden zu sein, mehr Gewicht haben als firmeninterne Angelegenheiten.
Marktmacht zu Nutze gemacht
Und dennoch – diese fast schon unheimliche Marktmacht bleibt für den Kunden nicht ohne Folgen. Denn Amazon ist schon lange aus seiner Rolle als reiner Händler herausgewachsen und macht sich die Vorteile seines riesigen Kundenstocks über andere Mittel und Wege zunutze.
E-Book-Reader, Leihbibliothek, Tablet-PC und Smartphone...
So bietet Amazon seinen eigenen E-Book-Reader Kindle an. Für zehn Euro im Monat kann der Besitzer eines solchen Geräts aus der 700.000 Titel umfassenden Leihbibliothek downloaden, was er will. Für 49 Euro im Jahr kann er eine sogenannte Prime-Mitgliedschaft erwerben, mit der er auch Zugang zu einer großen Film- und Seriendatenbank erhält. Daneben werden noch ein eigener Tablet-PC (Kindle Fire) und – wenn auch bisher nicht in Österreich – ein eigenes Smartphone (Fire Phone) offeriert.
...liefern Daten über Kaufverhalten
Bei genauerem Hinsehen sind diese Produkte weitere Instrumente, die Amazon einen riesigen Pool an Daten über seine User verschaffen. Vergleichbar mit der Fülle, über die Google oder Apple verfügen. Besser sogar: Denn während Google in erster Linie über die Suchinteressen seiner Nutzer Bescheid weiß, hat Amazon Informationen darüber, was seine Kunden kaufen. Zugute kommen ihm diese im Werbegeschäft – eine Sparte, die das Unternehmen in diesem Jahr stark ausbauen will.
Externe Werbe-Schaltungen lotsen auf Amazon-Seiten
Die Amazon Advertising Platform sorgt dafür, dass den Kunden ihrem Such- und Kaufverhalten entsprechende Werbeanzeigen sowohl auf Amazon als auch – das ist neu – auf externen Websites angezeigt werden. Damit entwickelt sich Amazon ähnlich wie Google zu einer gigantischen Werbemaschine. Für die Konsumenten heißt das, dass sie bei der Produktrecherche im Internet noch häufiger über Werbeeinschaltungen auf Amazon-Seiten gelotst werden.
Die Wanze im Wohnzimmer
Ein Schreckgespenst für jeden Datenschützer stellte Amazon vor Weihnachten 2014 vor. Das derzeit nur in der englischsprachigen Variante erhältliche Amazon Echo ist ein Lautsprecher, der nicht nur Musik abspielt, sondern auch zuhört und selber sprechen kann. Die mit Mikrofonen ausgestattete Säule namens Alexa ist via WLAN mit dem Internet verbunden. Sie besitzt ähnliche Fähigkeiten wie die iPhone-Assistentin Siri.
Zero-Click-Bestellung durch Sprach-Assistenz
Sie liest aus dem Internet vor, kann Fragen mithilfe von Wikipedia beantworten und erstellt auf Zuruf eine Einkaufsliste. Noch speichert Alexa die Einkaufswünsche bloß. Für Experten ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis es zu einer sogenannten Zero-Click-Bestellung kommt, sprich: bis der Nutzer seine Produkte via Spracheingabe kaufen kann.
Womit die Hemmschwelle zum "grenzenlosen Shoppingvergnügen" noch weiter sinken wird. Dabei landen schon jetzt alle an Alexa gegebenen Sprachbefehle auf den Servern des Unternehmens. Sie werden dahingehend verarbeitet, dass das Gerät noch mehr auf seinen Nutzer eingehen kann – seine Sprechweise besser erkennt und über seine Vorlieben Bescheid weiß.
Unternehmen klinken sich in den Alltag ein
So sehr IT-Experten auch davon überzeugt sind, dass man in Zukunft an der Spracherkennung nicht mehr vorbeikommt, und so sehr das sogenannte Internet der Dinge und all die Smart-Home-Technologien auch propagiert werden, so fragwürdig ist die Tatsache, dass sich Unternehmen wie Amazon dann komplett in den Alltag der Menschen einklinken.
Denn der Lautsprecher ist "always on", und damit kann Amazon theoretisch alles speichern, was Alexa mithört. Stellt sich die Frage, wem die gespeicherten Infos zugänglich gemacht werden. Und nicht zu vergessen ist die Gefahr, dass sich jemand in das Gerät einhacken und mithören könnte. Daher ist es ratsam, von Alexa trotz all ihrer verlockenden Services die Finger zu lassen.
Vine: Club der Schmeichler
Vorsicht ist auch bei den Kundenbewertungen geboten (siehe den KONSUMENT-Artikel Amazon: manipulierte Rezensionen). Denn neben den in vielen Fällen in keiner Weise objektivierten konventionellen Rezensionen veröffentlicht das Unternehmen auch Bewertungen der Mitglieder von Amazon Vine. Dabei handelt es sich nach eigenen Angaben um einen "exklusiven Club der Produkttester", dem nur angehören kann, wer vom Händler selbst eingeladen wird. Laut Amazon sind das jene, die sich als die vertrauenswürdigsten Rezensenten mit Expertenwissen erwiesen haben. Darauf wird in der Bewertung mit leuchtendem Grün hingewiesen.
Gratisprodukte und positiver Bewertungs-Boost
Die Clubmitglieder erhalten regelmäßig gratis Produkte zugeschickt und dürfen sie im Normalfall auch behalten. Amazon versichert, sie nicht zu beeinflussen und auch negative Kritiken gelten zu lassen. Verbraucherschützer aus Nordrhein-Westfalen aber haben in einer Stichprobe herausgefunden, dass Vine-Club-Mitglieder den Produkten zu einem "positiven Bewertungs-Boost" verhelfen. So schreibt ein Mitglied aus Bayern folgendes Fazit über ein Smartphone: "Ich kann mit gutem Gewissen behaupten, dass ich noch kein leistungsfähigeres Smartphone in den Händen hatte. Alles in allem – nahezu perfekt! [...] das Samsung Galaxy S5 ist wirklich Spitzenklasse!"
Zuerst die Rezension, dann die Ware?
In der Regel schreiben Vine-Mitglieder eine wohlmeinende Kritik und vergeben eine hohe Zahl an Sternchen an ein Produkt. Kein Wunder – es ist ein Unterschied, ob man ein teures Elektrogerät geschenkt bekommt oder erst einmal kaufen muss. Außerdem erfahren gerade bei Samsung die Tester angeblich erst, nachdem sie die Rezension geschrieben haben, ob sie die Ware behalten dürfen oder nicht. Noch ein Anreiz also, um kritische Worte beiseite zu lassen. Folglich handelt es sich bei den Bewertungen mehr um Reklame und nicht um verlässliche Konsumenteninformation.
Börsenähnliche Preisgestaltung
Ein weiterer Punkt, der bei Amazon wie auch bei anderen Onlineshops zu beachten ist: Die Preise von bestimmten Produkten, insbesondere von elektronischen, ändern sich alle paar Stunden. Im Jahr 2013 wurde in einer Untersuchung errechnet, dass das Portal pro Tag 2,5 Millionen Preisänderungen vornimmt. Dabei greift es auf eine Intelligent Pricing Software zurück.
Wie man den Eindruck vom niedrigen Preisniveau erreicht
Dieses Programm analysiert die Preise des Mitbewerbs sowie das Kaufverhalten der Kunden und errechnet dann, zu welchem Zeitpunkt und zu welchem Preis die Ware am ehesten gekauft wird. In der Regel versucht Amazon, dabei billiger zu sein als die Konkurrenz.
Gleichzeitig ist das Programm aber auch imstande, festzustellen, wann und bei welchem Produkt die Kunden wenig preissensibel reagieren (z.B. Elektronik-Zubehör) – um dann die Preisschraube nach oben zu drehen. So entsteht bei den Kunden der Eindruck, Amazon habe grundsätzlich ein niedriges Preisniveau.
Online-Handelsriese Amazon
Das EHI Retail Institute schätzt den Jahresumsatz von amazon.at auf 342 Mio. €, gefolgt von universal.at mit 107 Mio. € Umsatz. Einer Umfrage von Marketagent zufolge haben 2014 85% der Österreicher amazon.at besucht, 72% haben dort eingekauft; dahinter rangiert willhaben.at mit einem Besucheranteil von 66%.
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