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Dr. Smile zieht sich aus Österreich zurück

Der Anbieter von Online-Zahnschienen Dr. Smile hat sich vollständig vom österreichischen Markt zurückgezogen. Hintergrund sind zahlreiche Beschwerden von Konsument:innen über mangelnde zahnärztliche Betreuung, gesundheitliche Schäden und aggressive Verkaufspraktiken. Zusätzlich geriet das Unternehmen wegen intransparenter Werbung und unzulässiger Vertragsklauseln zunehmend unter juristischen Druck. Neue Behandlungsverträge werden nicht mehr abgeschlossen – bestehende Kund:innen sollen laut Dr. Smile weiterhin betreut werden.

Werbung auf Social Media

YouTube Bildschirmaufnahme zeigt Slogan "Gerade Zähne in 4 bis 9* Monaten ab 33€* daneben eine Grafik eines geöffneten Gebisses mit 2 rot gefärbeten Vorderzähnen darunter Kleingedrucktes
Bild: Screenshot eines Videos vom Dr. Smile YouTube Kanal

Verlockende Versprechen – teure Folgen

Mit Slogans wie „Gerade Zähne um nur 33 Euro pro Monat“ zielte Dr. Smile gezielt auf junge Erwachsene ab. Über YouTube, TikTok und Instagram wurde die DIY-Zahnkorrektur als preiswerte, schnelle und bequeme Alternative zur klassischen Kieferorthopädie beworben.

Hinter dem Markennamen Dr. Smile standen die Unternehmen Urban Technology GmbH und DZK Deutsche Zahnklinik GmbH, die sich innerhalb weniger Jahre den größten Marktanteil im Segment der Online-Aligner sicherten.

Gesundheitsrisiken durch fehlende zahnärztliche Begleitung

Die Realität hinter den Werbeversprechen führte zu unzähligen Beschwerden beim Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) Österreich. Die aufgetretenen Hauptprobleme:

🟠Verkaufsberatung statt medizinischer Aufklärung: Die Erstgespräche wurden nicht von Zahnärzt:innen geführt, sondern von Verkaufsagenten auf Provisionsbasis.

🟠Mangelnde Aufklärung: Risiken und Behandlungsgrenzen wurden kaum angesprochen.

🟠Keine laufende Betreuung: Die Konsument:innen dokumentierten ihre Behandlung selbst über eine App, statt regelmäßig von Fachärzt:innen kontrolliert zu werden.

In vielen Fällen führte diese fehlende Betreuung zu erheblichen Gesundheitsschäden, darunter:

🟠Zahnfleischrückgang und Entzündungen

🟠Kieferschmerzen und Kiefergelenksprobleme

🟠Migräne und Tinnitus

🟠Nervenreizungen bis hin zu Zahnverlust

🟠Offener Biss durch falsche Zahnbewegungen

Die Folgekosten für notwendige Korrekturbehandlungen lagen in manchen Fällen bei bis zu 10.000 Euro.

Von irreführender Werbung bis unzulässiger Behandlung

– Dr. Smile vor Gericht

Dank der engen Zusammenarbeit zwischen dem EVZ Österreich und der VKI-Rechtsabteilung wurde Dr. Smile 2024 für mehrere Rechtsverstöße zur Verantwortung gezogen. Die wichtigsten Urteile im Überblick:

🔴Preisfalle
Das Bezirksgericht Donaustadt verhängte eine Geldstrafe von 77.500 Euro, weil die Werbung mit „33 Euro pro Monat“ die tatsächlichen Gesamtkosten sowie den effektiven Zinssatz nicht korrekt offengelegt hatte. Dies verstieß gegen einen bereits vom VKI erwirkten Exekutionstitel.

🔴 Irreführende Geschäftspraktiken
Das Handelsgericht Wien verurteilte die Urban Technology GmbH wegen irreführender Information, wer tatsächlich Vertragspartner wird und wer für mögliche Schäden haftet.

🔴 Unzulässige Zahnbehandlung
Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien stellte fest, dass Dr. Smile in Österreich keine Berechtigung für zahnärztliche Behandlungen hatte. Die Behandlungsverträge wurden daher für nichtig erklärt.

🔴 Rücktrittsrecht bestätigt
Das Bezirksgericht Liesing entschied, dass Konsument:innen ein gesetzliches Rücktrittsrecht zusteht, da die Verträge außerhalb von Geschäftsräumen – nämlich per Videoanruf mit Nicht-Zahnärzt:innen – abgeschlossen wurden.

Kritik aus der Fachwelt

Nicht nur Konsumentenschützer:innen, sondern auch Zahnärztekammern und zahnmedizinische Berufsverbände in mehreren europäischen Ländern gehörten zu den schärfsten Kritiker:innn von Dr. Smile. Besonders kritisch bewertet wurden auch Zahnarztpraxen, die sich für Partnerschaften mit Dr. Smile zur Verfügung stellten.

Kritisiert wurde vor allem:

🔴 Fehlende medizinische Verantwortung

🔴 Kommerzialisierung auf Kosten der Patientensicherheit

🔴 Umgehung regulärer zahnärztlicher Behandlungsstandards

Rückzug aus Österreich und Polen

Dr. Smile gab im Herbst 2024 bekannt, nach dem Rückzug aus Polen nun auch den österreichischen Markt zu verlassen. Offiziell verwies das Unternehmen auf die Übernahme durch die spanische Unternehmensgruppe Impress, die eigene Behandlungsmodelle verfolgt.

Neue Verträge werden nicht mehr angeboten, bestehende Patient:innen sollen jedoch weiter betreut werden – allerdings primär über die bereits bekannte Selbstkontrolle per App. Wer aktuell betroffen ist, findet Informationen in den Dr. Smile-FAQs. Beim EVZ Österreich gingen bereits zahlreiche Beschwerden ein, dass Dr. Smile auch bestehende Patient:innen nicht mehr betreut und auf Anfragen nicht reagiert. Viele Betroffene berichten zudem von Folgeschäden, die dringend behandelt werden müssten.

EVZ Österreich rät zur Vorsicht bei Online-Zahnschienen

Der Fall Dr. Smile zeigt deutlich, dass medizinische Behandlungen nicht in die Hände von Verkaufsplattformen oder Influencern gehören.
Unsere Empfehlungen:
🟢 Vor einer Zahnkorrektur immer eine umfassende Untersuchung bei Fachmediziner:innen durchführen lassen.
🟢 Nicht auf Lockangebote in sozialen Medien hereinfallen.
🟢 Keine Zahnbehandlung beginnen, ohne die vollen Kosten, Risiken und den genauen Vertragspartner zu kennen.
🟢 Bei Problemen oder Unsicherheiten: Frühzeitig rechtliche Beratung einholen – wir helfen Ihnen dabei.

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| verbraucherrecht.at

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