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Geparkte Flugzeuge diverser (Billig)Airlines
Bild: VanderWolf Images/shutterstock

Flugmarkt im Umbruch

Unsicherheit bei Fluglinien und Fluggästen

Der wirtschaftliche Schaden

Durch die Covid Pandemie sind die rund 5000 Fluglinien dieses Planeten in der Krise. Laut der International Air Transport Association IATA ist 2020 das finanziell schlechteste Jahr in der Geschichte der europäischen Luftfahrt, der Umsatz als auch die Passagierzahl pro Jahr wird gegenüber 2019 halb so groß sein, mit einem Verlust von 84,3 Mrd Dollar wird kalkuliert und dieser Verlust fällt dreimal so hoch aus wie bei der Finanzkrise 2008/2009.


In letzter Zeit wurde kaum noch geflogen, wochenlang stand alles still, es waren Insolvenzen kleinerer und mittelgroßer Fluglinien zu erwarten und die Folgenden sind seither tatsächlich in der Pleite gelandet: Flybe (UK), Thomas Cook Aviation (ehem. Air Berlin Aviation), Braathens (Schweden), 4 Zubringerairlines der Norwegian (Dänemark, Schweden), Virgin Australia, LGW  (Zubringer von Eurowings), South African Airlines, South  African Express, Air Mauritius, Thai Airways International, Atlas Global (Türkei), Trans States Airline (USA), Compas Airlines (USA), Ravn (USA), Bulgarien Eagle,  Germanwings, Miami Air International, Avianca (Kolumbien), TAME EP (Ecuador), Flyest (Argentinien), Latam (Argentinien), Air Georgian (Canada), Level Europe (Österreich), SunExpress (Deutschland), One Airlines (Chile), NokScoot (Thailand), Tigerair (Australien), LIAT (Antigua)

Bei mehreren europäischen und staatsnahen Airlines, welche „too big to fail“ scheinen, werden hunderte Steuergeldmillionen bis hin zu Milliarden für die Rettung zugeschossen. Laut einer  Untersuchung der IATA im Juni engagieren sich die folgenden vier europäischen Regierungen besonders: In Relation zu den Ticketerlösen von 2019 geben Holland (41%), Frankreich (36%), die Schweiz (25%) und Deutschland (20%) besonders viel Geld zur Rettung aus der Hand. Hierbei wurde von der IATA untersucht, ob die gewährte Finanzhilfe mit der Wirtschaftlichkeit der Airlines, sprich der Kapitalrendite vor der Krise, zusammenhängt. Das nüchterne Ergebnis zeigt keinen nennenswerten Zusammenhang zwischen gutem Wirtschaften und den gewährten Finanzspritzen. Chefökonomen der IATA Brian Pearce stellt fest: „Wenn die Pandemie vorüber ist, könnten einige dieser Fluggesellschaften ohnehin scheitern, erdrückt von Schulden und schlechtem Management.”

Wiederholt wird im Zusammenhang der Abwärtsspirale die Kritik laut, dass eine krisenanfällige Branche wie die Flugindustrie größere Finanzrücklagen hätte bilden müssen, statt in guten Jahren in Aktienrückkäufe zu investieren und großzügige Dividenden auszuschütten. Laut dem Industrieanalysten Bob Mann fällt den Geschäftsführern der Airlines die jahrelange Praxis, nur neun bis 15% der laufenden Jahresfixkosten als Finanzreserve zurückgehalten zu haben nun auf den Kopf.

Besonders trist sieht es bei Alitalia aus. Diese war schon vor der Corona Krise schwer angeschlagen und mit einem Minus von 700.000 €  pro Tag unterwegs in der Schuldenspirale. Im April kündigte der italienische Wirtschaftsminister an, dass Alitalia wieder komplett verstaatlicht und mit dem geplanten Zuschuss von 3 Mrd € aus den Mitteln des europäischen Maßnahmenpakets gegen die Covid-19 Krise neu aufgestellt wird. Dieser Relaunch als „New Alitalia“ wackelt nun aber trotzdem, seitdem die Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager Zweifel an der Wirksamkeit der Sanierungsmaßnahmen hat und eine EU Prüfung derer Sinnhaftigkeit fordert.

Die Air France, in einer Holding Gesellschaft der holländischen KLM strich 7500 Arbeitsplätze, und die französische als auch niederländische Regierung stellten zusammen 10 Mrd € bereit, um Air France – KLM zu erhalten und vor einer Verstaatlichung zu bewahren. In Frankreich stehen in Luftfahrtindustrie und Zulieferbetrieben rund 300000 Arbeitsplätze auf dem Spiel, insgesamt wurde ein 15 Milliarden schweres Rettungspaket für den Flugsektor geschnürt.
Die Air France – KLM Gruppe mit den viergrößten Passagierzahlen in Europa wird 2020 rund 95% ihres Geschäftsvolumens nicht nutzen können. Wie in anderen Staaten ähnlich diskutiert, wurden die Zusagen der Staatsgelder für Air France – KLM nun an ökologische Bedingungen geknüpft. Inlandsflüge sollen mittelfristig durch Bahnreisen ersetzt werden und die Fluglinie soll demzufolge jene Ziele nicht anfliegen, die innerhalb einer Bahnfahrt von zweieinhalb Stunden erreichbar sind.

Die anderen Big Player im europäischen Flugmarkt wie IAG (British Airways, Air Lingus, Iberia, Vueling, Level) oder die skandinavische SAS schickten etwa 90% ihres Personals in Zwangsurlaub, Kündigungen von zehntausenden Arbeitsverhältnissen im Umfang von einem Drittel bis hin zur Hälfte aller Beschäftigungsverhältnisse liegen laut Businessinsidern und Geschäftsführungen in Schubladen als Notplan bereit. Besonders hart geht Emirates den eigenen Beschäftigten um, hier wurden hunderte Kündigungsschreiben im Mai und Juni bereits zugestellt, ein Drittel der rund 60000 Stellen bei Emirates steht auf dem Spiel.

Mehrere europäische Länder bringen Zwangsverstaatlichung im schlimmsten Fall oder eine Erhöhung des staatlichen Eigenaktienanteils zur Überwindung der Krise ihrer wichtigsten nationalen Fluglinien ins Spiel, sollten Regierungsseiten und Managementvertreter keine Einigung über weitere Kredite und weitgehende Steuervergünstigungen finden. In Portugal (TAP und SATA Gruppe), Tschechien (Czech Airlines und Smartwings), Belgien (Brussels Airline) und Deutschland (Condor) gibt es kontroverse Verhandlungen um Kontrolle und Verbindlichkeiten mit den jeweiligen Kapitalgesellschaften der Airlines.

Norwegian Air war schon vor dem Corona Höhepunkt stark angeschlagen. Die Gläubiger wandten die bevorstehende Insolvenz der Airline ab und stimmten einer Umwandlung ihrer Forderungen in Aktien zu, nachdem die Bank of China als Investor eingestiegen war. Wie anfangs gelistet, stieß Norwegian vier insolvente Teilfluglinien in Schweden und Dänemark ab und entging so einer Zwangsverstaatlichung.

Für Konsumenten sind Pleiten von Airlines dann problematisch, wenn es sich um reine Flugbuchungen handelt, also in der Mehrzahl der Fälle. Flugpassagiere, die ein Ticket ohne Zusatzleistungen wie Hotel oder Mietwagen bezahlt haben, gehen bei Konkurs meist leer aus. Die Liquiditätsdecke ist bei fast allen Airlines momentan extrem niedrig und beim Konkursverfahren stehen Ticketforderungen von Kunden nicht an oberster Stelle auf den Gläubigerlisten der Massenverwalter. Sollten Kunden allerdings eine Pauschalreise bezahlt haben, ist so eine Buchung vom Gesetz her insolvenzversichert und wird dann von einer Versicherung bezahlt und zum Glück der Kunden nicht aus der Konkursmasse.

Situation in Österreich

In Österreich wurde Level Europe vom Mutterkonzern IAG aufgegeben  und ging im Juni in Konkurs. Laudamotion stellte im März ihren Flugbetrieb in Wien ein, rund 500 Beschäftigte der beiden Gesellschaften wurden entlassen, ein Fortbestand der Laudamotion GmbH ist fraglich. Der Austrian Airlines wurde nach einigem Hin und Her die staatliche Deckung mit 600 Mio € durch die Regierung garantiert, die Eigentümerin Lufthansa selbst ist in einer ähnlichen Situation und deren Rettung in Deutschland ein großes Politikum. Lufthansa steckt nun 150 Mio € in die Rettung der AUA, nachdem für sie selbst große Staatskredite in Deutschland gewährt wurden. Zur Rettung von Brussels Airline, ebenfalls im Besitz der Lufthansa ist scheinbar nicht genug Geld da, es wird eine Insolvenz oder Notverkauf der belgischen Fluglinie mit rund 5000 Mitarbeitern beabsichtigt.

Etablierte Billig-Flieger stehen wirtschaftlich besser da

Es mag viele überraschen, aber es war die Ryanair Group, die 2019 europaweit die meisten Passagiere (152 Millionen) befördert hat. Auch haben die Billigairlines wie Wizzair, Ryanair oder EasyJet wegen geringere Fixkosten eine bessere Liquidität als die teureren  Fluglinien und konnten aufgrund ihrer Finanzreserven auf die Krise flexibler reagieren. In diesem Zusammenhang kann die Zusage von Ryanair gesehen werden, dass bis Ende Juli 2020 Rückerstattungsforderungen von Kunden abgeschlossen sein sollen oder das Angebot der ungarischen Wizzair an Kunden der insolventen Level Europe GmbH, mit einem 10 € „Rescue Tarif“ einen Ersatzflug zu bekommen, sowie die sich abzeichnende Expansion von Wizzair am deutschen Markt. Der größte britische Billigfluganbieter Easy Jet hat im Juni sein Kapital durch einen massiven Aktienabstoß auf rund drei Milliarden Pfund aufgestockt und positioniert sich ebenfalls offensiv auf dem gerade umbrechenden Flugmarkt, um beim wiederaufkommenden Flugverkehr einen Startvorteil über die Konkurrenz nutzen zu können.

Rückerstattung oder Gutschein

Am Boden warten verhinderte Fluggäste immer noch auf Rückerstattungen für getätigte Buchungen aus der Zeit der Corona Lockdowns, von Vertröstungen ebenso genervt wie das überforderte Personal in den Callcentern der Fluglinien, teils auf Kurzarbeit weil gespart werden muss wo es nur geht, und gleichzeitig mit einem immensen Anfragevolumen konfrontiert. Anrufer wollen aber meist nicht neue Flüge, sondern vielmehr auf später umbuchen oder eine längst überfällige Rücküberweisung haben.

Im Frühsommer stifteten die Ausnahmeregelungen für Fluglinien mancher Staaten im Widerspruch zum EU Recht über Rückerstattung abgesagter Flüge Verwirrung. Es war fraglich, welches Recht nun gelte. Nationales Recht, das den Fluglinien Gutscheinlösungen erlaubt, oder EU-Recht, das Kunden strikt die Wahl lässt worauf sie sich bei der Rückerstattung einlassen.

Ende April hatten 12 europäische Staaten den Antrag gestellt, das Gesetz über volle Rückerstattungspflichten bei Absage des Fluges durch die Fluglinie vorläufig wegen der Coronakrise außer Kraft setzen zu können, und danach eigene Gesetze in diesem Sinne erlassen.

Die EU Kommission blieb allerdings hart, denn diese Art der Schonung von Fluglinien durch einige Länder basierte auf Kosten der Fluggäste, die statt dem Recht sich eine Rückzahlung oder Alternativbeförderung aussuchen zu können, nun mit bloßen Gutscheinen hingehalten werden und so den Airlines de facto tausende Mikrokredite gewährten. Es sei nicht die Aufgabe des Kunden, Financier von Airlines zu sein, dafür wären Banken da, war die Argumentation der Verbraucherschutzorganisationen.

Demnach klagten mehrere staatliche Konsumentenschutzinstitutionen Fluglinien wegen der Nichteinhaltung der EU-weiten Rückerstattungsbestimmungen oder wegen Tricks bei der Kunden(des)information über ihre Ansprüche. Spanien verklagte 17 Airlines und Frankreichs Konsumentenschutz UFC-Que Choisir führte im Mai eine Klage gegen 20 Fluglinien aus sehr ähnlichen Gründen. In Österreich klagte der VKI unlängst die Austrian Airlines und Laudamotion im Rahmen einer ähnlichen Sammelaktion.

Mitte Juni rügte EU-Verkehrskommissarin Adina Valean Fluggesellschaften wiederholt für das Ignorieren von EU Gesetzen und forderte nationale Behörden auf dagegen vorzugehen. Diesem Aufruf folgte kürzlich die italienische Kartellbehörde und klagte sowohl Alitalia als auch die spanischen Billigairline Volotea.
Zusätzlich zu den problematischen Gutscheinangeboten vieler Airlines spielt in dieser letzten Klage noch eine Rolle, dass Fluggästen nur spätere Buchungen auf eigenen Maschinen angeboten werden, statt der Rückzahlung binnen 7 Tagen oder einem Angebot anderer Beförderungsalternativen.

Für Kunden der Air France - KLM ist es erfreulich zu hören, dass beide Airlines, selbst dann, wenn Kunden aus Mangel an Alternativen bereits einen Voucher angenommen hatten, nun bei einem neuerlichen Antrag auf Rückerstattung diesen erhaltenen Voucher gegen eine Rückzahlung binnen 60 Tagen getauscht bekommen. Auch andere Airlines wie Ryanair oder AUA haben angekündigt die verabsäumten Rückzahlungen an nicht beförderte Passagiere nun schneller abzuarbeiten. Der leitende Manager für Kundenangelegenheiten der AUA meint, man habe in etwa erst die Hälfte der Anträge bearbeiten können, Rückerstattungen an Reisebüros seien etwa zu zwei Dritteln bewältigt, angestrebt sei eine Erledigung aller Rückzahlungen bis Ende Juli.

Geisterflüge – ein Wort zwei Probleme

Krisen machen kreativ. Der Geldmangel lenkt die Kreativität bei manchen Fluglinien aber in dubiose Bahnen. Es gibt zwei Phänomene, die in Medien als so genannte „Geisterflüge“ bezeichnet wurden:

  • Einerseits flogen im Frühling während der Lockdowns tatsächlich viele leere Flugzeuge, da es für die Fluglinien strategisch wichtiger war, eine leere Maschine fliegen zu lassen, als den wertvollen Slot für den Flugplan im nächsten Jahr an die Konkurrenz einzubüßen. Bürokratische Gründe zwangen Airlines bis dahin Flüge zu 80 % nicht ausfallen zu lassen, andernfalls würden sie im nächsten Jahr aus dem Flugplan gestrichen. Ziemlich viel Co2 wurde so sinnlos in die Luft geblasen. Diese Regel wurde vom EU Parlament bis Oktober ausgesetzt, der Slot bleibt bestehen und geht nicht an die Konkurrenz, auch wenn nicht abgehoben wird.
  • Mit „Geisterflug“ wird in den Medien vermehrt nun etwas anderes bezeichnet: Grund sind Ticketverkäufe von Flügen um Cash Flow zu generieren, und solche Pseudoflüge nach kurzer Zeit auf den Buchungsportalen wieder zu stornieren. Solche eingeplanten Stornos verschaffen Verkäufern kurzzeitig Geldmittel indem sie Kunden dazu bringen für Aufpreise umzubuchen, oder zu Neubuchungen von Ticketangeboten umleiten, die die Kunden sonst nicht gekauft hätten. Ebenso wurden Flüge auf andere Abflugtage oder Abflugorte verlegt, um Kunden so zur Annahme eines Gutscheins statt einer Rückzahlung zu bewegen, so lautet zumindest der Vorwurf. In diesem Zusammenhang kam es außerdem zu Kundebeschwerden über endlose Telefonwarteschleifen und Ablehnungen von kostenfreien Umbuchungen, zu welchen Fluglinien eigentlich verpflichtet wären. Der belgische Verbraucherschutz Test Achats erfasste vermehrte Kundenbeschwerden über Geisterflüge bei Ryanair, Brussels Airline und TuiFly. Die Airlines haben sich mittlerweile entschuldigt und begründen die Umstände mit „Problemen im Buchungssystem“.

Es muss aber nicht immer diese unlautere vorsätzliche Praxis sein. Die Sprecherin von Eurowings Jannah Baldus, meint dazu, dass Airlines „nicht mehr verpflichtet seien mit fast leerem Flugzeug zu fliegen“. Ein Grund für das aktuelle Chaos in den immer wieder umgestellten Flugplänen sei die Tatsache, dass schlecht ausgelastete Flüge nun wegen der EU Ausnahme bis Oktober einfach auch aus wirtschaftlichen Gründen von den Carriern storniert werden dürfen und dieses temporäre Privileg wird auch angewandt.

Fazit

Selbst nach fallenden Coronazahlen wird der europäische Flugbetrieb nicht in die gewohnte „vor Corona Normalität“ zurückfinden. Allein der heurige wirtschaftliche Effekt ist bereits zu groß dafür, die Zinszahlungen aus den Schulden von 2020 werden in den kommenden Jahren Fluglinien belasten und Investitionen verhindern. Es werden vermutlich weitere Fluglinien aufgeben oder zusammengelegt werden, der Markt wird - so wie es in ökonomischen Kreisen gerne heißt - „bereinigt“. Fluggäste werden generell teurere Flugpreise vorfinden, auch wenn die Billigfluglinien gerade die Angebotslücken zu füllen versuchen, welche durch die Schwäche der nun vermehrt teilstaatlichen Airlines entstehen. Eine mögliche weitere Coronawelle bei kälteren Temperaturen des Herbstes oder Winters und damit einhergehende Dämpfung der Nachfrage oder gar Einreiseverbote könnte diesen Trend nochmals verschärfen. Auf jeden Fall werden die künftigen staatlichen Steuern und Abgabenvorschriften an Airlines andere sein als jetzt. Ein Ende bei der Vergünstigungen bei der Kerosinsteuer ist abzusehen und Staatskredite werden zunehmend an Bedingungen von nachhaltigeren Flugplänen geknüpft. Es wäre wünschenswert, dass dieser Ansatz den gewünschten ökologischen Effekt hat. Dass an sich weniger geflogen wird, schadet dem Klima ganz bestimmt nicht.

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