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Flugticket bleibt generell gültig

Aufpreis nur in Ausnahmefällen erlaubt

Seit Langem wird diskutiert, ob ein Flugticket seine Gültigkeit zur Gänze verliert, wenn eine Teilstrecke (z.B. der Hinflug) vom Flugreisenden nicht angetreten wird.

Immer wieder kommt es aus unterschiedlichen Gründen dazu, dass man sich ein Hin- und Rückflugticket kauft, den Hinflug dann aber nicht antreten kann. Die meisten Airlines hatten in ihren Geschäftsbedingungen dazu geregelt, dass das Rückflugticket dann verfällt. Verbraucherschützer sahen darin eine gröblich benachteiligende Klausel und so befassten sich Gerichte mit diesem Thema.

Gerichtsverfahren in Deutschland

Bereits im Dezember 2007 hatte das Landgericht Frankfurt (Az: 2-2 O 243/07) eine entsprechende Klausel in den Verträgen von British Airways als unzulässig erklärt. Das Landgericht Köln fällte im November 2008 (Az: 26 O 125/07) ein Urteil gegen die Deutsche Lufthansa AG, das in dieselbe Richtung ging.

In der Urteilsbegründung hieß es, die Klausel in den AGB der Lufthansa sei nicht differenziert genug. Sie ziehe eine vollständige Befreiung der Leistung durch die Fluggesellschaft nach sich, ohne den Einzelfall zu berücksichtigen.

Die Fluglinien akzeptierten diese Urteile jedoch nicht und gingen in Berufung. So landete die Rechtsfrage beim deutschen Bundesgerichtshof (BGH), welcher die letzte Instanz darstellt. Dort gefällte Urteile können also nicht weiter bekämpft werden.

BGH: Rückflugticket verfällt nicht

Nach einer Klage des deutschen Verbraucherzentrale-Bundesverbands (VZBV) gegen British Airways und die Deutsche Lufthansa hat der deutsche BGH zum Vorteil der Passagiere entschieden: Eine Fluggesellschaft darf Reisende grundsätzlich nicht vom Rück- oder Weiterflug ausschließen, wenn diese den Hinflug oder eine Teilstrecke nicht antreten.

Kundenfeindlichkeit der Klausel

Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der beiden Airlines durften Kunden die gebuchten Flüge nur in der im Flugschein angegebenen Reihenfolge nutzen. Demnach wäre ein gebuchter und schon bezahlter Rückflug verfallen, wenn der Kunde den Hinflug nicht antritt.

Ein Fluggast hätte auch von einem Langstreckenflug ausgeschlossen werden dürfen, wenn er den dazugehörigen Zubringerflug nicht nutzt. Zahlen soll er trotzdem für die gesamte Strecke.
Solche und ähnliche Klauseln verwenden auch viele andere Fluggesellschaften.

Die von British Airways und der Deutschen Lufthansa verwendeten Klauseln sind unwirksam, weil sie den Kunden unangemessen benachteiligen, entschied der BGH in letzter Instanz.

Aber: Aufpreis auf One-way-ticket

Eine Ausnahme machten die Richter jedoch geltend: Bestimmte Kombinationen aus Hin- und Rückflügen sind, beispielsweise wegen der Abflugzeiten, günstiger als andere. Buchen Fluggäste mehrere solche Kombinationen nur mit dem Zweck, später Teilstrecken davon verfallen zu lassen, weil dies für sie "unterm Strich" günstiger ist, so können Fluggesellschaften gegebenenfalls ein erhöhtes Entgelt verlangen.

Zur Veranschaulichung ein theoretisches Beispiel:


Bei gesonderter Buchung von Hin- und Rückflug würde jede Strecke € 300,- kosten, die Gesamtstrecke in Summe also € 600,-.


Bei Buchung von Hin- und Rückflug als Paket würde der Preis aber nur € 400,- betragen.


Wenn de facto nur eine der beiden Strecken geflogen wird, wäre somit ein Aufpreis von € 100,- zu zahlen.

Als Folge dieses Urteils des BGH nahm etwa Lufthansa eine Klausel in ihren AGB auf, wonach sie einen Aufpreis auf ein One-way-Ticket verrechnen dürfen, wenn Flugcoupons nicht in der gebuchten Reihenfolge verwendet werden.


Ausschlaggebend für die Berechnung des zusätzlichen Entgelts soll der Preis der tatsächlich geflogenen Strecke zum Zeitpunkt der Buchung sein.

Faires Ergebnis?

Die Entscheidung, dass Flugtickets nicht gänzlich ihre Gültigkeit verlieren dürfen, wenn Teilstrecken nicht angetreten werden, ist natürlich sehr erfreulich und stärkt die Rechte der Passagiere.
Die Einschränkung, dass mitunter die Differenz auf den Preis eines One-way-Tickets zu bezahlen ist, stellt aber eine große Hürde dar und führt im Ergebnis dazu, dass Passagiere erst recht benachteiligt werden, wenn sie einen Flug nicht wie geplant antreten können.

Selbstverständlich mag es Personen geben, die absichtlich mehr Flüge buchen, als sie konsumieren wollen, um sich so einen Preisvorteil zu verschaffen. Es ist verständlich, dass sich Airlines gegen dieses so genannte cross-ticketing schützen möchten.

Die meisten Konsumenten, die Flüge nicht in der gebuchten Reihenfolge verwenden, haben unserer Erfahrung nach jedoch ganz andere Gründe dafür: Jemand erkrankt, der Reiseablauf muss aus beruflichen Gründen verändert werden oder eine andere Fluglinie ändert die Flugzeiten, sodass der separat gebuchte Zubringerflug nicht mehr passt.

In diesen und ähnlichen Fällen scheint eine "Bestrafung" für den Verzicht auf eine Teilleistung aus konsumentenschutzrechtlicher Sicht nicht gerechtfertigt.

Gerichtsverfahren in Österreich

Der österreichische Verein für Konsumenteninformation (VKI) führte daher Gerichtsverfahren gegen die Austrian Airlines AG und die Deutsche Lufthansa AG.

Das Oberlandesgericht Wien hat als zweite Instanz in beiden Verfahren die entsprechenden "Aufpreis-Klauseln" für rechtswidrig und damit unzulässig erklärt.

Es sei durchaus üblich, dass man eine zusätzliche Zahlung zu leisten hat, wenn man einen Vertrag nachträglich ändern möchte, also etwa einen Flug umbucht.

Benutzt man einen Teil einer bereits bezahlten Leistung jedoch schlichtweg nicht, so rechnet man maximal damit, dass man das Entgelt für die nicht beanspruchte Leistung nicht zurückbekommt. So etwa bei der Nichtinanspruchnahme eines Teiles eines Zugtickets.

Mit einer Bestimmung, wonach bei einem Verzicht auf eine Teilleistung mitunter ein zusätzliches Entgelt, nämlich der Aufpreis auf ein One-way-Ticket, zu zahlen ist, rechnet ein durchschnittlicher Fluggast jedoch nicht.

Entscheidung des OGH

Nachdem Austrian Airlines und Lufthansa ein Rechtsmittel eingelegt hatten, landeten die Fälle beim Obersten Gerichtshof (AZ: 4 Ob 164/12i und 2 Ob 182/12x). Hinsichtlich der Frage, ob die Verrechnung eines Aufpreises gerechtfertigt ist, seien die beiderseitigen Interessen abzuwägen.

Wollte ein Kunde bereits bei der Buchung das Tarifsystem ausnützen und nur gewisse Teilstrecken in Anspruch nehmen, so bestehe ein berechtigtes Interesse der Fluglinie eine Umgehung ihres Tarifsystems zu verhindern. Die Aufzahlung auf den Preis des One-way-Tickets sei dann grundsätzlich ein verhältnismäßiges Mittel zur Durchsetzung dieses legitimen Ziels.


Eine nachträgliche Änderung der Reisepläne beruht aber oft auf anderen Gründen, wie etwa dem Versäumen oder der Verspätung eines Zubringerfluges. Hier sei zu beachten, dass eine Fluglinie bei Nichtinanspruchnahme aller Teile eines Tickets nicht nur keine zusätzlichen Kosten hat, sondern sich regelmäßig auch Aufwendungen erspart.


Die Bestimmung, welche Austrian Airlines zuletzt in ihren AGB hatte, berücksichtigte dies zwar im Ansatz, schützte aber nur Passagiere, die aufgrund von Krankheit oder höherer Gewalt ihre Reisepläne nachträglich ändern mussten. Das sei in dieser Form nicht rechtmäßig. Austrian Airlines darf sich daher nicht mehr auf die entsprechenden Klauseln in ihren AGB berufen.

Unterschiedliche höchstgerichtliche Urteile

Für die Deutsche Lufthansa AG ergibt sich daher die Besonderheit, dass der BGH in Deutschland etwas anderes entschieden hat, als der OGH in Österreich. Das österreichische Höchstgericht ist bezüglich der Zulässigkeit eines Aufpreises auf ein One-way-Ticket strenger.


Lufthansa hat daher in den AGB einen gesonderten Passus für Passagiere aus Österreich.

Keine EU-weite Regelung

An die erläuterten Regelungen sind nur jene Fluglinien gebunden, gegen die die entsprechenden Urteile ergingen. Sofern andere europäische Airlines betroffen sind, können Sie derzeit nur versuchen die entsprechenden Argumente dennoch vorzubringen.

Sofern Sie Ihre Reiseroute ändern müssen und nicht sicher sind, welche Ansprüche Sie gegenüber der konkreten Fluglinie haben, können Sie uns gerne kontaktieren. Eventuell gibt es bis dahin auch in anderen Mitgliedstaaten sinngemäß gleiche Entscheidungen. Ob bzw. wann eine für die gesamte EU einheitliche Regelung zu diesem Thema erlassen wird, bleibt abzuwarten.

Informieren Sie die Fluglinie

Können Sie Ihren gebuchten Flug nicht wie geplant antreten, so raten wir Ihnen die Fluglinie, bei der Sie den Flug buchten, umgehend schriftlich davon in Kenntnis zu setzen. Erläutern Sie die Gründe für den Nichtantritt. Sofern es Belege für den Hinderungsgrund gibt, ist es ratsam diese mitzuschicken.

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