Ungebrochener Trend eines Geschäftsmodells
Direktversand oder Streckengeschäft, da sind zwei Entsprechungen des Wortes Dropshipping. Vor der Pandemie vor fünf Jahren lag das weltweite Handelsvolumen bei rund 130 Milliarden US Dollar. Bis heute hat es sich in etwa verdreifacht. Die weltweiten Prognosen variieren im Ausmaß, aber bis 2030 soll das Handelsvolumen mit Dropshipping die erste Billion US Dollar überschreiten. Zum Vergleich: Ganz Österreich gibt pro Jahr insgesamt rund 10 Milliarden für jegliche Art von Onlinebestellungen aus.
Nach Angaben der EU-Kommission kommen im Schengenraum jeden Tag bis zu zwölf Millionen Kleinteile bei Verbraucher:innen an. Das sind etwa Kleidungsstücke, Gadgets und Kinderspielzeug, der Großteil aus China. Dieser Warenstrom hat sich allein von 2023 auf 2024 verdoppelt.
Dropshipper, also die Händler:innen, die das Geschäftsmodell nutzen, sind in europäische Firmenbüchern am häufigsten in Großbritannien, den Niederlanden und in Deutschland eingetragen. Gefolgt von Spanien, Schweden und Polen, wo ebenfalls viele ihren Firmensitz angeben. Die Anzahl solcher E-Commerce Seiten nimmt aber überall und stetig zu. Dropshipping macht im europäischen Schnitt mittlerweile etwa ein Fünftel bis ein Drittel aller Online-Bestellungen aus. Am häufigsten bestellen Skandinavier:innen auf Dropshipping Seiten.
Warum nimmt das Phänomen so rasant zu?
Webshops nach Dropshipping Machart lassen sich schnell und billig erstellen. Bei diesen Handelsgeschäften ist die Ware nicht vorrätig. Stattdessen werden die Artikel erst nach einer Kundenbestellung direkt von Hersteller- und Großhandelsfirmen geordert. Solche vermittelten Bestellungen laufen vorwiegend über große Online-Marktplätze mit Lieferanten aus Ländern mit Billigproduktion ab. Für die Hersteller zahlt es sich auf jeden Fall aus. Die Verkäufe durch Dropshipping übersteigen die Verkaufsabschlüsse der hauseigenen Onlineshops rund um ein Fünftel. Für die Dropshipper selbst sind Margen von 40% und mehr möglich.
Dropshipping aus Prinzip problematisch
Was für die Verkäuferseite gut ist, zeigt für die Käuferseite aber deutlich die Kehrseite der Medaille. Anhand von zwanzig Punkten erklären wir hier den Ablauf von unseriösem Dropshipping. Natürlich gibt es auch seriöses E-Commerce, welches damit Bestellungen bearbeitet. Aber selbst auf diese Shops treffen einige der hier beschriebenen Nachteile für Kund:innen leider zu.
10 Schritte vor der Lieferung
- Beginnende Dropshipper gründen ihr Unternehmen zunächst als Briefkastenfirma. Als Unternehmenssitz dient eine Privatadresse oder eine Postbox. Viele davon in den Niederlanden, wo die Containerschiffe aus China ankommen.
- Dropshipper erstellen mit wenig Aufwand einen Webshop mithilfe der kanadischen Plattform Shopify. Dass die Webseite auf Dropshipping basiert, erkennt nur das geübte Auge.
- Dropshipper suchen Produkte für ihren Shopify Webshop aus: Die Ware stammt aus China oder aus einem anderen Standort mit Billigproduktion. In der Regel wird die Produktauswahl aus Angeboten auf den Marktplätzen AliExpress, Alibaba, Amazon, DHGate, Banggod, Printify, SaleHoo oder Worldwide Brands bestückt. Auch wenn Temu offiziell kein Dropshipping unterstützt, so lässt es sich auch dafür verwenden. Für die Plattformen Temu oder Shein nutzen Dropshipper eigene Tools wie Importify. Damit verbinden sie sich manuell oder automatisiert mit Lieferanten und geben so Großbestellungen auf.
- Dropshipper verwenden auf der Webseite irreführende Gestaltungselemente. Sie erwecken den Anschein, die Ware stamme aus Europa, z.B. aus Österreich oder Deutschland. Das erreichen sie mit deutsch klingenden Firmennamen, eine Internetadresse mit der .at oder .de Endung, mit lokalen Symbolen wie Flaggen, Nationalfarben oder heimischen Fotomotiven. Abgerundet wird der Eindruck durch manipulative Kundenbewertungen, nichtssagende Gütesiegel und den Einsatz von Dark Patterns.
- Dropshipper machen zielgruppenspezifische Werbung auf Social Media (TikTok, Pinterest, Facebook, Instagram). Influencer:innen bewerben die Ware und verdienen Provisionen, wenn Zuschauer:innen den Links aus den Posts folgen. Häufig fehlt der Hinweis darauf, dass es sich um vergütete Werbung handelt.
- Als zweites Standbein dient das Suchmaschinenmarketing (SEM). Vorwiegend mittels Google Ads speist das SEM die Produktanzeigen der Dropshipper in den oberen Bereich von Suchergebnissen. Die Produkte sind gut fotografiert und haben attraktive Preise. Aus diesen Bildanzeigen geht die Art des Webshops nicht hervor.
- Die Kundschaft folgt dem Verweis auf Social Media oder Google und bestellt im Dropshipping Webshop. Kund:innen kennen das Konzept Dropshipping nicht, somit auch nicht dessen Nachteile.
- Die Dropshipper leiten die Bestellung an die Lieferanten weiter. Das sind entweder Hersteller oder Großhändler. Dieser Bestellprozess ist mittlerweile durch die Shopify Plattform, spezielle Apps wie Dsers, Zendrop, Modalyst oder den Marktführer Spocket automatisiert und wird durch neue KI Tools wie Sellika begleitet. Dropshipper müssen bei eingehenden Bestellungen meist nichts mehr tun.
- Lieferanten (sehr oft in China) erhalten die von den Dropshippern vermittelten Kundenbestellungen über die Online-Marktplätze.
- Sie verpacken die Ware und organisieren den Versand zur Kundschaft. Dropshipper sind in diesem Prozess mit der Ware nicht physisch in Kontakt. Sie haben daher auch keine Kosten mit der Lagerhaltung und kein Personal für den Vertrieb.
10 Schritte nach der Lieferung
Dropshipping ist nicht illegal, aber diese Verkaufsmethode ist für die Kundschaft aus einer weiteren Vielzahl von Gründen nachteilig. Dies wird schnell nach Erhalt der Ware deutlich:
- Die Hersteller und Großhändler sind auch für die Logistik und den Versand an die Kundschaft zuständig. Sie beauftragen die Lieferung zur Wohnadresse mittels DHL, UPS, DPD, FedEx… Wenn damit etwas nicht klappt, wird es kompliziert, aufgrund der vielen involvierten Parteien.
- Wenn die Ware ankommt, ist das oft später als angegeben. Internationale Lieferwege sind unberechenbar, und die Containerladungen kommen erst gesammelt in europäischen Großlagern zum weiteren Vertrieb an. So kann die Bestellung Wochen dauern. Ein großer Anteil an Beschwerden über Dropshipping erfolgt im EVZ Netzwerk aufgrund von Nichtlieferung.
- Da eventuell Einfuhrzölle oder die Einfuhrumsatzsteuer nicht korrekt erledigt wurden, kann die Ware beim Zoll hängen bleiben und die Kundschaft muss die Ware auslösen.
- Enttäuschung beim Öffnen der Pakete: Das Gelieferte entspricht nicht der Qualitätserwartung aus den ansprechenden Werbefotos. Der Kampfpreis bedingt eine billige Fertigung aus minderwertigen Materialien. Hygiene-, Baby- und Haustierartikel riechen chemisch. Farbe, Schnitt, Passgröße, Material von Kleidung oder Schuhen sind enttäuschend. Elektronik sieht aus, als würden sie bald kaputt gehen. Spielsachen aus billigstem, scharfkantigem Plastik etc. Eine im Oktober 2023 veröffentlichte schwedische Studie (KEMI) klassifizierte 72% der durch Dropshipping gelieferten Artikel als mangelhaft in der Produktsicherheit.
- Die Kundschaft ist unzufrieden und möchte zurücksenden. Auf der Webseite fehlt die Rücksendeadresse oder zumindest ist keine in Europa angeführt. Viele merken hier zum ersten Mal, dass sie bei einem ”China-Shop” bestellt haben.
- Aus Not beschäftigt sich die Kundschaft zum ersten Mal mit der Passage über Rückgaben in den AGBs des Webshops. Falls überhaupt vorhanden, fordert dort eine Klausel die Rücksendung auf eigene Kosten zum Hersteller. Das liegt oft außerhalb der EU, z.B. in Fernost, und ist richtig teuer. Bei Billigprodukten ist das den Aufwand an Zeit und Geld nicht wert und die meisten Kund:innen geben an dieser Stelle auf. Denn auch der Ausgang einer Rücksendung ist völlig unsicher. Die Hersteller in den Drittländern fühlen sich erstens nicht zuständig und zweitens können dort die Verbraucherschutzregeln der EU i.d.R. nicht durchgesetzt werden.
- Hartnäckigere suchen auf der Webseite vergeblich nach einer ordentlichen Kontaktmöglichkeit, um eine Rücknahme durch die Dropshipper zu verlangen. Im unvollständigen Impressum fehlt entweder die gesetzlich vorgeschriebene Angabe einer E-Mail eingehende Mails werden ignoriert. Viele solche Webseiten bieten stattdessen ein einfaches Text-Eingabefeld als einzige Kontaktmöglichkeit. Damit lässt sich eine Reklamation schwer nachweisen.
- Wer den Firmenstandort auf Google Maps findet, sieht dort nichts, was nach einem regulären Handelsunternehmen aussieht. Wer die Ware auf eigene Faust dorthin schickt, erhält keine Rückerstattung. Aus Absicht ist die Firma nicht greifbar, sowohl für Kund:innen als auch für den Verbraucherschutz.
- Der Kundenreklamation folgt irgendwann eine Antwort. Oft wird hingehalten, damit das 14-tägige Rücktrittsrecht ab Erhalt der Ware verstreicht. Diese Antwort kann von einer künstlichen Intelligenz stammen, vom Dropshipper selbst und bei etablierten Dropshipping Unternehmen mit größeren Verkaufsvolumen von externem Personal. Solche Antworten kommen von erfundenen Vornamen als vorgefertigte Textschablonen. Der Kundenservice schlägt darin vor, die Ware zu behalten oder herzuschenken und gewährt einen Preisnachlass von z.B. 30%. Zur Erinnerung - die Marge lag wahrscheinlich über 40%. Darin steht, man solle "auf die Rücksendung verzichten und so Emissionen einsparen, um der Umwelt etwas Gutes zu tun”. Dieses ökologische Argument ist besonders schamlos, denn Dropshipping basiert ja i.d.R. darauf, unter umweltbelastenden Bedingungen hergestellte Billigware um den halben Planeten zu karren.
- Wenn die Ware mittels buy now - pay later Bezahldienstleistern wie Klarna gekauft wurde, entstehen weitere Probleme. Klarna selbst betreibt sogenanntes Factoring. Sobald die Kund:innen den Bezahlbutton betätigen, überweist der schwedische Bezahldienstleister den Dropshipping Händler:innen den Betrag und kauft ihnen so die ausstehende Geldforderung ab. Nun versuchen die mit der Lieferung unzufriedenen Käufer:innen zu Recht die Händler:innen nicht zu bezahlen. Zum Beispiel ist das Dropshipping Unternehmen nicht erreichbar, obwohl es vom Gesetz her die Rücksendekosten im Fall eines Kaufrücktritts tragen müsste. Mit der versuchten Verweigerung der Zahlung laufen die Kund:innen aber ins Leere. Denn ihr Geld ist schon bei den Dropshippern und Klarna kümmert nur der nach ihrer Auffassung ausstehende Betrag. Die Praxis zeigt, dass Klarna bei offenen Geldforderungen etwaige Liefer- oder Warenmängel als Verzögerungsgrund nicht akzeptiert. Stattdessen wird sogleich eine Inkassokanzlei eingeschaltet. In Österreich sind das Pair Finance, die Coeo GmbH oder Rieger-Wall. Diese schicken Kundinnen fortwährend und unreflektiert Mahnungen, obwohl die Geschädigten gesetzlichen Anspruch auf eine Rückabwicklung des Kaufes hätten.