Der Kellerraum wirkt, als würden hier die Preise für eine Tombola aufbewahrt. Auf den Regalen sind verschiedene sorgsam beschriftete Exponate ausgestellt. Neben Textilien und Handtaschen namhafter Designer finden sich Markenuhren, Tennisschläger und Sportschuhe. Auch Produkte des täglichen Lebens, vom Nassrasierer bis zur Zahnbürste, sogar Lebensmittel wie etwa ein Karton eines bekannten österreichischen Energygetränks füllen die Stellagen. Als Hauptgewinn könnte ein in der Ecke des Raumes abgestelltes Minibike durchgehen.
2800 Sendungen beschlagnahmt
Doch der Schein trügt. Alles, was hier teuer und exklusiv aussieht, und sogar die Produkte des Alltags sind in Wahrheit nichts als Fälschungen. Das vermeintliche Tombola-Lager ist die Asservatenkammer der österreichischen Zollbehörden und das Reich von Gerhard Marosi. Der im BMF für Produktpiraterie und Artenschutz zuständige Zollbeamte ist Fälschern und Importeuren von illegalen Gütern auf den Fersen. Im Jahr 2010 beschlagnahmte die Behörde 2.803 verdächtige Sendungen mit 292.606 verschiedenen Artikeln. Handelte es sich um Originalwaren, würde ihr Wert 6,765 Millionen Euro betragen.
Medikamente aus dem Internet
Als Ursprungsländer traten, wie auch schon in den Jahren zuvor, vor allem China (78,5 % aller Fälle) und Indien (14,2 %) in Erscheinung. Was die Schadenssumme angeht – gemessen am Wert der Originalware – lagen Kleidung (rund 1,6 Millionen €), Schuhe (1,5 Mio €) und Uhren (fast 1,2 Mio €) voran. „Die größte Sorge bereiten uns allerdings Medikamente, die per Internet bestellt werden“, sagt Marosi. Fast 17.000 gefälschte Packungen, vor allem von sogenannten Lifestyle Präparaten (Potenz-, Schlankheits- und Haarwuchsmittel), wurden 2010 aus dem Verkehr gezogen. Im September 2010 wurden etwa 23.000 Stück zum Großteil gefälschte Viagrapillen beschlagnahmt. Die Sendung wurde in einem Koffer von Thailand nach Österreich geschmuggelt.
Versand innerhalb der EU
Dass in den beiden Jahren davor noch deutlich mehr Aufgriffe verzeichnet wurden, 2008 beschlagnahmte der Zoll etwa gut 27.000 Medikamentenpackungen, muss dabei nicht unbedingt Anlass zur Beruhigung geben. Die Fälscher variieren, so Marosi, ständig ihre Taktik: Verpackungen werden geändert und die Sendungen werden längst nicht mehr aus verräterischen Drittländern wie China oder Indien abgeschickt, sondern in größerem Umfang in die EU geschmuggelt und dann in die jeweiligen Bestimmungsländer versendet. Dies erschwert die Arbeit der Zollbehörden beträchtlich, da eine Postsendung aus einem anderen EU-Staat einer Inlandssendung gleichgestellt ist.
Post vom Zoll
Wer gefälschte oder nicht in Österreich zugelassene Medikamente im Internet einkauft, macht sich strafbar. Doch auch die Bestellung plagiierter Luxusgüter oder Produkte des täglichen Lebens kann eine empfindliche Geldbuße nach sich ziehen. Fangen die Behörden nämlich eine Sendung ab, erhält der Kunde anstatt der erhofften (Luxus-)Ware einen eingeschriebenen Brief vom österreichischen Zoll. Darin wird informiert, dass es sich bei der Ware vermutlich um eine Fälschung handelt, die aufgrund der Produktpiraterieverordnung angehalten worden ist. Zudem wird die bestellende Person gefragt, ob sie einem vereinfachten Verfahren, sprich der Vernichtung der Ware, zustimmt.
Der Vernichtung der Ware zustimmen
Legt der Besteller Widerspruch dagegen ein, droht ein vom Rechteinhaber angestrengtes gerichtliches Verfahren. Verliert man dieses, kann es richtig teuer werden, da Verfahrens- und Anwaltskosten fällig werden, und es drohen allenfalls Schadenersatzansprüche. Das Europäische Verbraucherzentrum rät deshalb im Zweifelsfall dazu, der Vernichtung der Ware zuzustimmen, was in den meisten Fällen auch geschieht. Doch selbst dann ist man noch nicht aus dem Schneider. Der Rechteinhaber kann nämlich trotzdem eine Unterlassungserklärung verlangen. Die Ausrede, man habe nicht gewusst, dass es sich um gefälschte Ware handelt, bewahrt dabei nicht vor einer Zahlungspflicht.
3. Mai 2011