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Bild: 360b/shutterstock

Parship verliert Klage wegen zu hoher Kosten bei Abowiderruf

Europäischer Gerichtshof erklärt Verrechnungspraxis für ungültig

Wer neue Lebenspartner mittels Parship vermittelt bekommen möchte, könnte mit hohen Kosten konfrontiert werden, sobald man es sich anders überlegt und den Dienst nur kurz nutzt. Die Kostenfrage beim Widerruf der Mitgliedschaft war schon lange Streitpunkt zwischen Verbraucherschutzorganisationen und Parship. Nach Ansicht der Vermittlungsfirma soll ein Großteil des Mitgliedsbeitrages fällig werden, sobald Neukunden ein paar Chats mit Singles hatten und als “Wertersatz” mehrere hundert Euro kosten. Unlängst hat der Europäische Gerichtshof im Sinne einer Kundin entschieden. Hunderte ähnliche Fälle werden nun ähnlich gehandhabt. 

Hintergrund - was ist Parship? 

Die Partnervermittlungsplattform parship ist Marktführerin im deutschsprachigen Raum und verfügt über eine viertel Million Kunden. Parship wirbt damit laut Eigenangaben die höchste Erfolgsquote in Österreich und jede 15. Ehe in Österreich angebahnt zu haben. Die Vermittlungsquote bei zahlenden  Premiummitgliedern liege bei  38%, immerhin 67% der Premiummitglieder schaffen es zumindest zu einer Verabredung mit anderen Usern. 

Parship gibt es seit dem Jahr 2000 und nach der Gründung in Hamburg hat der Dienst in 13 weitere europäische Länder sowie Mexico expandiert. Im deutschsprachigen Raum erzielt die Mutterfirma PE Digital nach wie vor ihren größten Umsatz und betreibt neben Parship auch die Partnervermittlung Elitepartner mit Fokus auf eine akademische Klientel. Der mehrheitliche Aktienbesitz von PE Digital liegt wiederum bei der Medienholding ProSiebenSat.1 Media SE, die auch die meisten privaten Fernsehkanäle in Österreich betreibt und seit September 2020 das Geschäftsfeld der Datingindustrie neu bündelt.

Kostenbarriere und Funktion 

Der grundlegende Unterschied zwischen den kostenlosen und bezahlten Dienstleistungen von Parship besteht in der Einschränkung von Grundfunktionen. Das kostenlose Angebot umfasst eine automatisierte Auswertung eines bei Neuanmeldungen ausgefüllten Fragebogens und die Möglichkeit, die Profile anderer Mitglieder einzusehen. Dabei sind jedoch keine Fotos ersichtlich und freie Texteingabe, um aktiv andere Mitglieder anschreiben zu können, nicht möglich. Um direkt mit anderen Mitgliedern in Kontakt zu treten oder deren Nachrichten zu lesen, muss eine kostenpflichtige Premium-Mitgliedschaft abgeschlossen werden. Parship ist nicht billig, der monatliche Mitgliedsbeitrag kostet momentan etwa 25 €uro, nach einer 6 Monatsmitgliedschaft verlängert sich diese automatisch um weitere 12 Monate.

 

Wir haben schön öfter berichtet, dass die automatische Verlängerung bei Parship immerwieder zu Problem und Klagen führte, lesen Sie hier mehr darüber. 

Der erwähnte Fragebogen wurde von Psychologieprofessor Hugo Schmale konzipiert. Die Usereingaben werden psychologisch ausgewertet, basierend auf verhaltenstheoretischen und psychoanalytischen Ansätzen. Ein Algorythmus vergleicht dann diese Eingaben, um User einander vorzuschlagen. Der Schlüssel der Kalkulation wertet die Persönlichkeitsmerkmale von Kunden etwa zu 60 %, gemeinsame Interessen sowie Meinungen und Vorlieben mit etwa jeweils 20 % bei der Gewichtung von Partnervorschlägen.

Aktuelles Urteil des EuGH gegen Parship

Gerade die Verrechnung dieser anfänglichen Auswertung des Fragebogens sowie die Zustellung eines in den aktualisierten AGBs von Parship so bezeichneten “Portraits der Partnerschaftspersönlichkeit“ war Stein des Anstoßes in der letzten Klage (Rechtssache C-641/19), die nun zu Gunsten einer Parshipabonnentin vom Europäischen Gerichtshof entschieden wurde. 

Wichtig ist bei diesem Gerichtsentscheid vor allem, dass in einem binnen 14 Tagen eingegangen Widerruf durch Neukunden Parship nur zeitanteilig seine bisher erbrachten Leistungen einfordern darf und nicht mehr gleich den Großteil für ein Jahresabo.  

Im konkreten Fall hatte die Klägerin im November 2018 eine Premium-Jahresmitgliedschaft für 523,95 €uro abgeschlossen. Nur nach vier Tagen und zwar innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Widerrufsfrist erklärte sie den Rücktritt vom Vertrag. Parship stellte dafür satte 392,96 €uro als Wertersatz in Rechnung.  

Parships Standpunkt war es, dass die neue Kundin ausdrücklich zugestimmt hätte, von Beginn an erste Leistungen zu erhalten, welche auch der größten erbrachten Leistung entsprächen: 
Neue Mitglieder bekommen nach einem dreißigminütigen Persönlichkeitstest sofort automatisiert Partnervorschläge im selben Bundesland. Premium-Mitglieder bekommen ein 50-seitiges Persönlichkeitsgutachten, welches wiederum Basis-Mitglieder gegen Entgelt als Teilleistung kaufen können. 

Der EuGH entschied jedoch, dass bei Widerruf nur anteilig zu verrechnen ist. Im konreten Fall belief sich der Wertersatz der Frau, welche nach 4 Tagen widerrufen hatte also auf 5,74 Euro, was viermal dem Tageswert (365stel des Jahres­preises) entsprach. Das Gericht stellte weiters fest: Nur wenn ein Vertrag ausdrücklich einen getrennten Preis für Leistungen zu Beginn der Laufzeit vorsieht, ist dieser fällig. In dem fraglichen Vertrag sei aber kein gesonderter Preis für irgendeine Einzelleistung vermerkt gewesen.

Tipp: Aus diesem Grund achten Sie bei künftigen Vertragsabschlüssen unbedingt darauf, was im Kleingedruckten Ihres Vetrages steht! Parship und Elitepartner werden ihre AGBs entsprechend anpassen und vermutlich gesondert Ihr Einverständis einholen, womit die Voraussetzung der getrennten Preisangabe zu Beginn der Laufzeit erfüllt würden. Aktuell wird dies unter Punkt 11.3 in den AGBs von Parship erwähnt!

Der Fall ist nun zurück beim Amtsgericht Hamburg, wo die Auslegung der EU-Verbraucherrechte nach Bestätigung durch den EuGH konkret umgesetzt wird. Dabei sind nach Angaben des Amtsgerichts Hamburg bereits mehrere hundert Parallelverfahren im Laufen und es wurde bereits in etlichen Einzelfällen zu Gunsten von Verbrauchern in ähnlicher Lage entschieden. 

Ich habe zuviel bezahlt – was kann ich fordern? 

Sollten Sie selbst bei Parship die Premium Mitgliedschaft vor dem 8.Oktober 2020 abgeschlossen, und danach binnen 14 Tagen vom Vertrag zurückgetreten sein und dabei den vollen Wertersatz gezahlt haben, dann sollten Sie jetzt Parship zur Erstattung des zuviel bezahlten Wertersatzes auffordern und dabei eine Frist für die geforderte Rückzahlung von 2 Wochen setzen. 

Errechnen Sie die Geldmenge, welche Sie zurückfordern können: 

  1. Aus der vereinbarten Laufzeit für das bezahlte Abo errechnen Sie die Anzahl der Tage. 
  2. Die bezahlte Summe dividieren Sie durch diese Anzahl der Laufzeittage und erhalten so den Tagespreis. 
  3. Sie multiplizieren die Anzahl der Tage seit Ihrem Vertragsschluss bis einschließlich des Tages Ihres Widerrufs mit dem Tagespreis und erhalten den so genannten Wertersatz, der laut Gericht Parship zusteht.
  4. Von der einbezahlten Summe ziehen den Wertersatz ab. Diese Differenz, die Sie laut Gericht zuviel gezahlt haben, tragen Sie in den Musterbrief ein und fordern von Parship/Elitepartner zurück. 

Wenn Parship darauf nicht eingeht, können sie auf Erstattung des Betrages abzüglich des Tagespreises mit sehr guten Erfolgschancen klagen. Die Verjährungsfrist beträgt hier drei Jahre. Die Kollegen von Stiftung Warentest unterhalten hier eine Liste mit Anwaltskanzleien die spezialisiert gegen Parship erfolgreich sind.

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