Warnung vor Timesharing Abzocke auf Gran Canaria
Timesharing bezeichnet die Beteiligung an einer Ferienwohnung. Für eine festgelegte Zeit des Jahres steht sie den einzelnen Miteigentümer:innen oder Teilpächter:innen zur Verfügung. Solche zeitanteilige Nutzungsarten von Wohneinheiten in Clubanlagen sind besonders bei Mittel- und Nordeuropäer:innen beliebt. Sie kaufen Anteile oder Nutzungsrechte von Ferienanlagen bei großen Firmen in Mittelmehrländern und auf Urlaubsinseln. Statt der sorgenfreien Urlaubszeit und dem beworbenen "zu Hause Feeling" treten leider immer wieder allerhand Probleme zu Tage.
Situation auf den Kanaren
Die Kanarischen Inseln, westlich von Nordafrika, ein extraterritoriales Gebiet Spaniens, beliebt als Urlaubsparadies mit Bergen, Stränden und atemberaubender Natur. Gerne wird der Vergleich "europäisches Hawaii" herangezogen. Hier wurde 1988 ANFI vom norwegischen Unternehmer Björn Lyng gegründet. Die ANFI Gruppe sieht sich als das führende Unternehmen im europäischen Timesharing Bereich.
Die Holding Gesellschaft setzt sich aus sieben Subunternehmen zusammen und war bis unlängst ein Joint Venture zwischen den beiden Unternehmen der lokalen Santana Cazorla Brüder und der norwegischen Lyng Familie. Vor allem an der Südwestküste von Gran Canaria betreiben sie große gehobene Unterkunftskomplexe mit zahlreiche Zusatzanlagen wie Yachthäfen, Restaurants, ein Einkaufzentrum, mehrere Golfplätze, künstliche Sandstrände, Jet Ski Verleihe, Bars, Autovermietung, Kinderbetreuung, Supermärkte und andere Freizeitimmobilien. Kurzum, ANFI ist der kommerzielle Platzhirsch auf den Kanaren.
Seit Jahren bekämpften sich an diesem lukrativen Standort von Makronesien die beiden führenden Unternehmenskonglomerate durch feindliche Übernahmen von Aktienmehrheiten und etwas weniger subtil bei der Gunst um Kaufzuschläge von unerschlossenen Küstenabschnitten von der lokalen Verwaltung und manchmal sogar im offenen Konkurrenzkampf der Verkaufsagenten auf der Straße. 2021 wurden aber zwei der Subunternehmen unter Kontrolle der Santana Cazorla Gruppe insolvent, und die Aktieneigentümerin und frühere Hauptkonkurrentin, die Hotelgruppe Lopesan, erlangte die Aktienmehrheit. Dieses Hin und Her in den Besitzverhältnissen und die damit verbundene Pleitebefürchtungen der letzten Jahre haben Konsument:innen, welche Eigentümeranteile von ANFI Ferienanlagen gekauft hatten, sehr verunsichert. Kaum verwunderlich, denn Clubmitglieder und Timeshare - Nutzer:innen sind gegen Insolvenz von Anbieterfirmen nicht geschützt.
Berichterstattung über die Konkurse von Cazorla und über wegweisende Gerichtsprozesse gegen ANFI, sowie der generell geschädigte Ruf von Timesharing aufgrund dubioser Verkaufsmethoden veranlasste das neue Management seine Angebote nicht mehr "Timesharing" sondern "Urlaubsmitgliedschaften" zu nennen. An den seit Jahren kritisierten Methoden bei der Vertragsanbahnung in der Timesharing Industrie hat es scheinbar nicht viel geändert. Zuletzt ist ein Rückgang der deutschsprachigen Touristenströme auf Gran Canaria zu beobachten, angeblich wegen Versäumnissen beim Ausbau der Infrastruktur. Unter großem Konkurrenzdruck wenden lokale Verkaufsagent:innen so wie früher wieder unlautere Geschäftspraktiken an:
Immer die gleiche Masche
Dem EVZ liegen neue Beschwerden vor, die sich so lesen wie es schon seit zwei Jahrzehnten immer wieder aus diversen klassischen Urlaubsdestination berichtet wurde. Auf Gran Canaria und auch Teneriffa sind Keiler unterwegs. Sogenannte OPCs (Outside Public Contact) sind meist junge Leute, die in den Straßen der Feriengebiete Tourist:innen ansprechen, gerne auch wenn eine Taxifahrt ansteht. Besonders die Playa de Ingles ist das Pflaster, auf dem OPC auf Bauernfang aus sind und versuchen den Urlauber:innen Timesharing Produkte anzudrehen.
Die lokale Verwaltung versucht solche Vorgänge immer wieder einzuschränken, meist eher halbherzig, da die involvierten Firmen viel Steuergeld in die Gemeindekassen zahlen. Die OPC stellen den Erstkontakt gerne mit Rubbellosen her, es ist immer ein Los mit einem "Tagesgewinn" dabei. Um den Gewinn zu bekommen, solle man doch in ein nahegelegenes Resort fahren. Der Gewinn ist zum Beispiel ein Tablet, eine Smartwatch oder eine VIP Nacht im Hotel mit gratis Taxifahrt dorthin. Oder auch ein Nachmittag am Golfplatz, Jetski oder Freizeitpark mit Cocktail in einer coolen Bar einer ANFI Anlage im Anschluss. In Urlaubsstimmung und überrumpelt, sagen viele zu. Am Abholort wartet dann geschultes deutschsprachiges Verkaufspersonal (z.B. von "ANFI Dreams") welches im Anschluss fast zwei Stunden lang durch eine nahegelegene Anlage führt. Im bemüht "lockeren" Gespräch wird immer wieder gefragt ob man hier im nächsten Jahr nicht Urlaub machen wolle. Es kommen weitere Personen dazu und schwadronieren über die Vorzüge von Timesharing in genau diesem Resort. Schließlich findet man sich bei einem Vertragsabschluss über mehrere tausend Euro wieder.
Für eine erste Unterkunftsreservierung steht eine sofortige Anzahlung von etwa 900 bis 1200 € an. Das Gesamtangebot kann so aussehen: 60m² Appartement mit Schlafzimmer und Jacuzzi, Wohn-Essbereich mit Inventar, Badezimmer, Terrasse mit Meerblick, inklusive Getränke, für rund 3000 Euro insgesamt. Diese zwei Wochen Aufenthalt sind binnen anderthalb Jahren aufzubrauchen. Bedenkzeit gibt´s keine, man soll gleich unterschreiben. Häufig erklären die Makler:innen auch, dass man nach dem ersten Aufenthalt in eine höhere Kundenklasse aufsteigen könne. Damit sei eine Luxusreise zum einmaligen Vorteilspreis im Rabattclub verbunden. Oder es sei bei Vertragsabschluss ein Gutschein für einen kostenlosen Urlaub bei ANFI inkludiert.
Kein so tolles Angebot
Nach dem mit Champagner versüßten Vertragsabschluss realisieren viele, insbesondere wenn sie im Web andere Reiseangebote verglichen und kritische Kundenbewertungen entdeckt haben, dass das Angebot doch nicht so umwerfend ist. Häufig wird von einem Reinfall berichtet: Die versprochenen Apartments / Hotels sind zu keinem Zeitpunkt verfügbar, denn die Gutscheine oder Reisepakete gelten beschränkt, i.d.R. nur anderthalb Jahre, danach verfallen sie. Die Unterkünfte entsprechen auch nicht ganz der gezeigten Qualität der Vorzeigeapartments. Weitere Leistungen kosten immer extra. Insgesamt erscheint das Ganze teuer, da alle Zusatzkosten wie Strandbesuch, Sonnenliegen, Flüge und Verpflegung dazuzurechnen sind. Ausschließlich die Übernachtung ist inkludiert. Auch wird berichtet, dass die Behauptung nicht stimme, diese Anlagen wären exklusiv über Timesharing zu haben. Wenn man sich umschaut, könne man dieselbe Unterkunftskategorie über Reiseplattformen (z.B. booking.com) direkt und billiger bekommen. Zusammengerechnet fährt man mit einer Pauschalreise bei ähnlichen Leistungen günstiger auf Urlaub.
Für die geleistete Anzahlung von vielen hundert Euro bekommt erstmal gar keine Leistung. Der Tagesgewinn aus dem Rubbellos entpuppt sich als billiges No-Name Produkt aus China. Jene die gerne Golf spielen, hat womöglich der nahegelegene ANFI Golfplatz zum Zuschlag motiviert. Aber auch hier die Beschwerde. "Ist immer alles ausgebucht, man muss 1 Jahr im Voraus reservieren, ich hätte nicht gedacht, dass ein renommierter Golfplatz bei so einer Abzocke mitmacht", berichtet eine Betroffene. Die gewünschte Unterkunft neben dem Golfplatz ist nie verfügbar. Wir sind nicht überrascht.
Gut zu wissen: Bei langfristigen Verträgen über Urlaubsprodukte, die für länger als ein Jahr abgeschlossen werden, werden die Zahlungen in Teilbeträgen geleistet. Ab der zweiten Rate können Verbraucher:innen laut Timesharing Richtlinie aus einem Vertrag sanktionslos aussteigen. Dazu müssen sie den Gewerbetreibenden innerhalb von 14 Kalendertagen nach Erhalt einer Zahlungsaufforderung für eine bestimmte Rate die Kündigung des Vertrages schriftlich mitteilen.
Fazit
Bei langfristigen Timesharing Produkten, wo ein Teil der Anlage gekauft wird (dingliches Recht) ist der wirtschaftliche Nutzen von Ferienwohnrechten fraglich. Im Vergleich zu aufeinanderfolgend gebuchten Pauschalreisen, ist eine Investition in das Wohnrecht an sich und die unvorhersagbare, künftigen Betriebs- und Instandhaltungskosten der Gesamtanlage ein Preisrisiko und insgesamt wahrscheinlich teurer. Ebenso stehen die beworbenen Tauschbörsen für erworbene Wohnrechte in der Kritik, da dort in der Hochsaison keine passenden Reisezielen zu finden sind. Der Weiterverkauf von Ferienwohnrechten ist in der Regel theoretisch möglich, gestaltet sich in der Praxis jedoch als extrem schwierig.
Bei kurzfristigem Timesharing und ähnlichen Produkten (Schuldrecht) werden zu oft fragliche Methoden angewandt, indem potentielle Interessent:innen in die Anlagen gelockt werden. Bei Verkaufsveranstaltungen werden sie im Zuge dessen unter psychologischem Druck zur Vertragsunterzeichnung gedrängt. Dabei ausgestellte Gutscheine entpuppen sich als nicht einlösbar. Zudem sind die Gesamtkosten im Vergleich zu Pauschalreisen oft teurer, da nur die blanke Unterkunft inkludiert ist. Abgesehen von den stundenlangen Werbebemühungen der Verkaufsagent:innen bei der Anbahnung ist davon auszugehen, dass der Aufenthalt in den Resortanlagen mit künftigen Werbeveranstaltungen verbunden ist. Hierbei wird versucht, Konsument;innen zum Wechsel zu langfristigen Produkten zu überreden.
Links
TCA (timeshare consumer association) warnt (Okt.2020) vor ANFI Investoren Betrug
https://timeshareconsumerassociation.org.uk/2020/10/28/the-anfi-trap/
reisereporter.de warnt (Nov.2022) vor Abzocke auf Kanaren
https://www.reisereporter.de/reisenews/destinationen/urlauber-abzocke-auf-kanaren-warnung-vor-losverkaeufern-3ZXNTCF7PW…
merkur.de warnt (Dez.2022) vor Abzocke auf Kanaren
https://www.merkur.de/reise/abzocke-betrug-luxushotel-vertrag-gran-canaria-geld-verbraucherzentrum-rubbellos-zr-9190708…
private-holiday.de warnt (2013) vor Abzocke auf Kanaren
https://www.private-holiday.de/blog/deutscher-timeshare-boss-auf-gran-canaria-festgenommen/
Spezilisierte Anwaltskanzlei (Dez.2021) über Gerichtsentscheid zu Gunsten geprellter ANFI Timesharing Besitzer
https://www.nordicconsultingci.com/de/spanish-courts-rule-in-favour-of-anfi-timeshare-owners/
TCA Artikel (Sept.2021) über Bankrott der Verkaufsgesellschaften von ANFI
https://timeshareconsumerassociation.org.uk/2021/09/28/anfi-sales-companies-judge-declares-bankruptcy/
Umfassender Ratgeber des EVZ Deutschland zu TImesharing Problemen
https://www.evz.de/reisen-verkehr/reiserecht/unterkunft/timesharing.html
Insolvenzmeldung zu ANFI (8.2021) des deutschsprachigen Lokalradios auf den Kanaren
https://radio-pv.com/02-08-2021-timesharing-gruppe-anfi-insolvent/
timeshare-talk.info listet 39 Gerichtsentscheide gegen ANFI bis 2017 (in spanischer Sprache)
https://timeshare-talk.info/2016/06/02/verdicts-against-anfi/
Warnung (Feb.2020) vor Abzocke auf Kanarenmarkt.de
https://kanarenmarkt.de/115065/gran-canaria-warnung-vor-dreister-urlauber-abzocke.html
Download (PDF) der Timesharing Broschüre des EVZ Deutschland
https://www.evz.de/fileadmin/Media/PDF/Broschueren/Timesharing.pdf
Your Europe Artikel der EU Kommission zu Verbraucher:innenrechten bei Timesharing
https://europa.eu/youreurope/citizens/travel/holidays/timeshare/index_de.htm
Originaltext der EU Timesharing Richtlinie (Teilzeitnutzungsrechte & langfristige Urlaubsprodukte)
https://europa.eu/youreurope/citizens/travel/holidays/timeshare/index_de.htm