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Zwei Züge der franzöischen SNCF in einem Bahnhof
Zwei SNCF Züge am Bahnsteig in Nizza Bild: christopher@seatse / unsplash

Ausblick auf neue EU Bahnfahrgastrechte

Die EU verfolgt das Ziel bis 2050 klimaneutral zu werden und für diese Klimaziele ist eine Verlagerung des Transportwesens auf mehr Bahnverkehr entscheidend. Bahnfahren muss daher für alle Reisenden attraktiver werden. 
Nach Verhandlungen im Oktober 2020 bestätigten Anfang 2021 das EU-Parlament und der Rat der EU - sprich die Regierungen und Verkehrsminister der Mitgliedsstaaten - die Reform der Fahrgastrechte. Die Regelung tritt somit zum größten Teil im Jahr 2023 in Form von nationalen Gesetzen in Kraft. Bis dahin gilt die EU Verordnung 1371/2007 weiterhin. Phasenweise werden bestehende Ausnahmen von den Regeln, auf die sich Eisenbahngesellschaften seit 2009 noch berufen können, ihre Gültigkeit verlieren. Die größten Änderungen zu den bestehenden Vorgaben betreffen die Entschädigungspflicht durch Eisenbahnunternehmen bei höherer Gewalt, Rechte von Reisenden mit eingeschränkter Mobilität, die Mitnahme von Fahrrädern und die Regel für Durchgangsfahrkarten, d.h. wenn die Bahnfahrt mit mehreren Abschnitten und Fahrkarten unternommen wird.

 

Keine Entschädigung mehr bei höherer Gewalt

Anders als im November 2018, als das EU Parlament mit  533 Ja-Stimmen und 37 Nein-Stimmen noch die höhere Gewalt als Entschädigungsgrund in der Regelung verankern wollte, fiel sie beim neuesten Beschluss des Rates im Jänner 2021 als Entschädigungsgrund aus dem Gesetzestext und wurde so vom Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments bestätigt. Dass die Erfahrungen mit wirtschaftlichen Konsequenzen durch die Cov-Pandemie im Personentransportsektor den Ratsbeschluss beeinflusst haben ist klar, allerdings schlug die Kommission schon 2018 dem Parlament eine Klausel vor, die höhere Gewalt als Entschädigungsgrund zu kippen. Bei der Abschwächung der Passagierrechte wurde argumentiert, dass andere Verkehrsmittel (Flug, Schiffs- und Busverkehr) bei höherer Gewalt auch nicht entschädigen müssen und somit die Bahn im Wettbewerb mit diesen Anbietern nicht schlechter gestellt sein soll.

Aus der Sicht der Fahrgäste ist diese Änderung keine Verbesserung. Bei Verspätungen oder Ausfällen infolge höherer Gewalt gibt es ab 2023 keine Entschädigungspflicht durch das Bahnunternehmen mehr, wenn dieses die Verspätungen oder Ausfälle trotz größter Sorgfalt nicht hätte vermeiden können. Es wird sich zeigen, wie oft Bahnunternehmen dies nutzen werden, um Erstattung an betroffene Fahrgäste abzulehnen, so wie es zum Ärgernis der Reisenden etwa im Flugverkehr oft gehandhabt wurde. Tröstend ist zumindest, dass bei der Bahn außergewöhnliche Umstände in der Regel nur zu einem sehr geringen Teil die Gründe sind, die Verspätungen verursachen oder gar Züge ausfallen lassen.

Was also sind diese außergewöhnlichen und beweisbaren Gründe, die nicht mit dem Betrieb der Bahn zusammenhängen und das Unternehmen von Erstattungspflichten befreien?

Definition der höheren Gewalt

  • Laut Gesetzestext (Chapter IV,  Art.17) sind das "extreme Witterungsverhältnisse, größere Naturkatastrophen oder größere Krisen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, die das Eisenbahnunternehmen trotz Anwendung der nach den Umständen des Falles gebotenen Sorgfalt nicht vermeiden und deren Folgen nicht abwenden konnte."
  • Weiters sind das "Verhalten eines Dritten, welches das Eisenbahnunternehmen trotz Anwendung der nach den besonderen Umständen des Falles gebotenen Sorgfalt nicht vermeiden und dessen Folgen nicht verhindern konnte, wie z. B. Personen auf dem Gleis, Kabeldiebstahl, Notfälle an Bord, Strafverfolgungsmaßnahmen, Sabotage oder Terrorismus."
  • Streiks von Bahnmitarbeitern oder bei konzessionierten Drittfirmen sind dezidiert keine höhere Gewalt.
     

Bahnunternehmen werden darüber hinaus dazu verpflichtet, ihre Fahrgäste bei Verspätungen und Zugausfällen umzuleiten oder nach Möglichkeit mit alternativen Transportmitteln ans Ziel, an den Ausgangspunkt oder auf Wunsch an einem späteren Tag zu befördern.

Entschädigungshöhe bei regulären Verspätungen bleibt

Wenn keine höhere Gewalt im Spiel war, müssen Eisenbahnen so wie bisher entschädigen. Ab einer Stunde Verspätung sind es wie gewohnt 25 % des Fahrpreises, ab zwei Stunden erhalten Passagiere 50 % des Fahrkartenpreises zurück. Das Parlament hatte in seiner Position 2018 die Rückerstattung des gesamten Fahrpreises bei mehr als zwei Stunden Verspätung gefordert, konnte sich aber nicht durchsetzen.

Piktogramm zum Thema "Zugverspätung"

Zugverspätung

Durchgangstickets

Neu eingeführt wird die Verpflichtung für Bahnunternehmen, für alle Teilstrecken einer längeren Verbindung mit Fern- und Regionalzügen eine einheitliche Fahrkarte auszustellen, wenn die Teilstrecken von ihnen selbst angeboten werden.

  • Die Fahrgäste müssen eindeutig darüber informiert werden, ob es sich bei den in einer einzigen Transaktion gekauften Fahrkarten um eine Durchgangsfahrkarte handelt. Andernfalls haftet das Eisenbahnunternehmen so, als ob diese Fahrkarten Durchgangsfahrkarten wären.
  • Dies verbessert die Rechte der Reisenden erheblich, wenn sie unterwegs einen Anschlusszug verpassen. Deren Anspruch auf Entschädigung richtet sich somit nach der Dauer der Verspätung, mit welcher der Zielort erreicht wird, auch wenn die Fahrt in Stücken absolviert wurde.

Dieser Teil im Gesetzestext ist erfreulich, aber so ähnlich wie oben beschrieben bei der "höheren Gewalt" ein Kompromiss der Verkehrsminister der Mitgliedstaaten. Weitergehende Forderungen von Interessensgruppen, die primär Fahrgäste vertreten, gingen darüber hinaus und wollten unabhängige Eisenbahnunternehmen dazu verpflichten, gemeinsame Tickets anzubieten, auch wenn diese eigenständige Unternehmen sind, etwa bei grenzüberschreitenden Fahrten.

  • Sogenannte Durchgangsfahrkarten werden somit bei einer Reise mit Umstieg vom Regional- in den Fernverkehr nur dann verpflichtend, wenn alle Züge vom selben Unternehmen (oder dessen 100 prozentigen Tochterunternehmen) durchgeführt werden.

Schienenersatzverkehr

Die neuen Regeln werden den Schutz in solchen Fällen, wo ein Zug nicht los- oder weiterfahren kann und die Fahrgäste daher eine anderweitige Beförderung zu ihrem Endziel benötigen, klären und erweitern. Der Bahnbetreiber muss unter allen Umständen versuchen, den Fahrgast umzuleiten, auch in Fällen, in denen alternative Verkehrsmittel erforderlich sind. Wenn es dem Betreiber nicht gelungen ist, dem Fahrgast innerhalb von 100 Minuten die verfügbaren Optionen mitzuteilen, kann ein gestrandeter Passagier aus eigener Initiative ein alternatives öffentliches Landverkehrsmittel nehmen und hat Anspruch auf Erstattung der so angefallenen Kosten vom Bahnunternehmen.

Piktogramm zum Thema "Zugsausfall"

Zugsausfall

Hilfe beim Aus- und Umsteigen bei körperlicher Einschränkung

Einige Verbesserungen gibt es für Menschen mit Behinderungen und eingeschränkter Mobilität. Menschen mit körperlichen Einschränkungen benötigen häufig Hilfe, sie sollen künftig in allen Zügen in der EU ein Recht auf Unterstützung etwa beim Ein- und Aussteigen haben, allerdings nur, "sofern geschultes Personal im Einsatz ist". Das gilt in Zukunft EU-weit nicht nur für Fern- sondern auch für Regionalzüge. Ebenso eine Verbesserung ist, dass nach der künftigen Verordnung Menschen mit Behinderungen den Unterstützungsbedarf nicht mehr bis zu 48 Stunden vor Abfahrt, sondern maximal nur noch 24 Stunden vor der Fahrt anmelden müssen.

Piktogramm zum Thema "Eingeschränkte Mobilität"

Eingeschränkte Mobilität

Fahrräder

Um umweltfreundliche Mobilität zu fördern, wird es für Fahrgäste einfacher, Fahrräder mitzunehmen. Europäische Eisenbahnunternehmen werden künftig verpflichtet, Fahrradstellplätze einzurichten und Fahrgäste über die verfügbaren Kapazitäten zu informieren. Dies gilt auch für reservierungspflichtige Züge, wo die Reservierung von Fahrradplätzen künftig ermöglicht werden muss. Die allgemeine Regel sind mindestens vier Fahrradstellplätze pro Zug. Nach Anhörung der Öffentlichkeit können die Eisenbahnunternehmen je nach Art des Dienstes, der Größe des Zuges und der vorhersehbaren Nachfrage nach der Beförderung von Fahrrädern eine andere Anzahl von Plätzen vorsehen. Die Mitgliedstaaten können diese Zahl auch höher ansetzen, wenn eine größere Nachfrage nach der Mitnahme von Fahrrädern besteht. Die Anforderungen an die Fahrradstellplätze gelten, wenn ein Eisenbahnunternehmen neue Fahrzeuge bestellt oder wenn es eine größere Umrüstung älterer Fahrzeuge vornimmt. Ausnahmen gelten für die Winterzeit, wo es saisonal weniger Bedarf an Fahrradmitnahme gibt. Die Fahrrad- Regeln werden erst 2 Jahre später (also 2025) als die übrige Verordnung (2023) in Kraft treten.

Piktogramm zum Thema "Fahrrad"

Fahrrad

Infos in Echtzeit

Die neue Verordnung sieht zudem vor, dass Infrastruktur- und Zugbetreiber u. a. den Tickethändlern Informationen zu Zügen in Echtzeit zur Verfügung stellen sollen. Dies hat zum Ziel, neue kundenfreundliche Angebote „aus einer Hand“ zu fördern, insbesondere in den Fällen, wenn die Züge mehrerer Bahnen oder verschiedene Verkehrsmittel kombiniert werden. Dadurch wird zum Beispiel die Verbesserung von Online Kaufportalen oder mobilen Applikationen mit umfassenderem Informationsgehalt über den gesamten Reiseverlauf der Passagiere ermöglicht.

"Informationspflicht"

Informationspflicht

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