Bei den Kreuzfahrten auf Binnengewässern werden zur Schiffsbeförderung gerne Unterbringung und Gastronomie an Bord kombiniert, dazu kommen oft Musik- oder Tanzveranstaltungen, Radausflüge, Eintritte bei Kulturveranstaltungen an den Anlegeorten, Themenabende oder Weinverkostungen und andere kulinarische Events. Wenn es bei der Durchführung der Schiffsreisen zu Absagen oder Abänderungen durch Veranstalter kommt, gibt es seit September 2021 ein richtungsweisendes Urteil des Europäischen Gerichtshofes.
EU Rechte von Schiffspassagieren nun genauer ausgelegt
Österreich liegt nicht am Meer, doch in unserem Tourismusland ist die Passagierbeförderung per Schiff ein Wachstumssektor. Abgesehen von der reinen Beförderung von Tagesausflüglern gibt es zahlreiche Pauschalreiseangebote von Reedern, die Flusskreuzfahrten und Charterverkehr betreiben. Inländische Agenturen haben für ihre Kreuzfahrten die Anlegestellen Passau, Linz, Wien, Bratislava und Budapest im Portfolio
EuGH Urteil klärt Passagierrechte bei Schifffahrt
Anlässlich eines Urteils des Europäische Gerichtshof beim Rechtsstreit zwischen dem Unternehmen Irish Ferries und der staatlichen irischen Transportbehörde (NTA) klärt der EuGH im Urteil C-570/19 die europaweit geltenden Rechte von Reisenden im See- als auch im Binnenschiffsverkehr.
Das irische Unternehmen hatte für seine Fährverbindung zwischen Dublin und Cherbourg in Frankreich neue Schiffe in Auftrag gegeben und für die künftigen Reisen bereits Tickets verkauft. Allerdings wurden diese Schiffe nicht rechtzeitig fertiggestellt. Bei der Klage durch die Aufsichtsbehörde ging es nun darum, ob die Anstrengungen von “Irish Ferries” ausreichend gewesen waren Ersatzbeförderungen zu organisieren und die Passagiere ausreichend zu informieren, da die verkauften Reisen nicht wie geplant durchgeführt werden konnten. Die Aufsichtsbehörde hatte nach Ansicht des Privatunternehmens Irish Ferries eine unverhältnismäßig hohe Strafe verhängt. Der EuGH entschied im konkreten Fall allerdings, dass die EU Verordnung No 1177/2010, welche Passagierrechte im Schiffsverkehr regelt, durch die irische Aufsichtsbehörde korrekt angewandt worden war.
- Der Beförderer ist, wenn ein Personenverkehrsdienst annulliert wird und es auf derselben Verbindung keinen alternativen Verkehrsdienst gibt, verpflichtet, dem Fahrgast aufgrund seines in Art. 18 der Verordnung vorgesehenen Anspruchs auf anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Bedingungen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einen alternativen Verkehrsdienst auf einer anderen Strecke als der des annullierten Dienstes oder einen Seeverkehrsdienst in Kombination mit anderen Verkehrsträgern wie dem Straßen- oder Schienenverkehr anzubieten, und hat etwaige zusätzliche Kosten zu übernehmen, die dem Fahrgast im Rahmen dieser anderweitigen Beförderung zum Endziel entstanden sind.
- In dem Fall, dass der Beförderer einen Personenverkehrsdienst mehrere Wochen vor dem ursprünglich vorgesehenen Abfahrtstermin annulliert, hat der Fahrgast, der sich dafür entscheidet, zum frühestmöglichen Zeitpunkt anderweitig befördert zu werden oder seine Reise auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, und am ursprünglich vorgesehenen Endziel mit einer Verspätung ankommt, die über den in Art. 19 der Verordnung festgelegten Schwellenwerten liegt, einen Anspruch auf Entschädigung. Entscheidet sich ein Fahrgast dagegen für die Erstattung des Fahrpreises, hat er keinen Anspruch auf Entschädigung gemäß Art. 19 der Verordnung.
- Der Begriff des Fahrpreises schließt die Kosten für vom Fahrgast gewählte zusätzliche Sonderleistungen wie die Buchung einer Kabine oder eines Hundezwingers oder den Zugang zu Premium-Lounges ein.
- Die verspätete Lieferung eines Fahrgastschiffes, die zur Annullierung aller Überfahrten geführt hat, die mit diesem Schiff im Rahmen einer neuen Seeverbindung vorgenommen werden sollten, fällt nicht unter den Begriff der außergewöhnlichen Umstände.
- Art. 24 der Verordnung gibt dem Fahrgast, der eine Entschädigung gemäß Art. 19 der Verordnung beantragt, nicht auf, seinen Antrag innerhalb von zwei Monaten nach der tatsächlichen oder geplanten Durchführung des Verkehrsdienstes in Form einer Beschwerde beim Beförderer einzureichen.
- In die Zuständigkeit einer nationalen Stelle, die ein Mitgliedstaat für die Durchsetzung der Verordnung benannt hat, fällt nicht nur der Personenverkehrsdienst, der von einem im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats gelegenen Hafen aus erbracht wird, sondern auch ein Personenverkehrsdienst, der von einem im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats gelegenen Hafen aus zu einem im Hoheitsgebiet des ersteren Mitgliedstaats gelegenen Hafen erbracht wird, wenn dieser letztere Verkehrsdienst im Rahmen einer Hin- und Rückfahrt stattfindet, die insgesamt annulliert worden ist.
Links
Pressemeldung des EuGH zum Urteil C-570/19 (als PDF)
https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2021-09/cp210150de.pdf
EU Verordnung Nr. 1177/2010 über Fahrgastrechte im See- und Binnenschiffsverkehr (als PDF)
https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ%3AL%3A2010%3A334%3A0001%3A0016%3ADE%3APDF