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Menschen bei Check In Schalter am Flughafen
Erst am Flughafen beim Check-In bezahlen müssen? Bild: Franz Pflügl / shutterstock

Pay-as-you-check-in oder doch nur Flex?

Bereits seit einigen Jahren steht die Idee im Raum, vorrangig von Verbraucherschützern im Reisesektor gefordert, Kunden erst bei Antritt einer Reiseleistung bezahlen zu lassen. Statt wie momentan üblich müssten so Leistungen nicht mehr per Vorauskasse bezahlt werden. Es wird heute noch als gegeben hingenommen, Buchungen von Flug, Pauschalreise, Übernachtung oder anderen Reiseleistungen zu 100% und eine gewisse Zeit vor Inanspruchnahme bezahlen zu müssen.

Eigentlich finanzieren Kunden auf diese Weise die Reisebranche mit zinsfreien Kleinkrediten bis zum effektiven Zeitpunkt der Leistung. Und wie sich besonders in letzter Zeit in der Praxis immer wieder gezeigt hat, kann die Erbringung der vorausbezahlten Leistung oft gar nicht garantiert werden. Die umständliche und während der Pandemie deutlich gewordene langwierige Prozedur von Rückabwicklungen würde bei vorausgezahlten, aber von Unternehmen nicht erfüllten Verträgen somit wegfallen.

Ist das Konzept angesichts der Pandemie realistisch?

An Fahrt aufgenommen hatte das Konzept Pay-as-you-check-in im Jahr 2019 vor allem in Deutschland, als die Billigflieger Air Berlin und Germania sowie der weltweit agierende Reisekonzern Thomas Cook (und dessen Tochterfirmen wie etwa Condor) im Jahr vor der Coronavirus-Pandemie in die Pleite schlitterten. In diesem Zusammenhang kam immer wieder das Argument der fehlenden verpflichtenden Insolvenzabsicherung für Fluglinien.

Denn anders als bezahlte Pauschalreisen in der EU, müssen Airlines Kundengelder für den Fall der eigenen Insolvenz nicht versichern. Ein weiterer Vorteil wäre die Rechtssicherheit bei Flugreisen, die ohne Vorauszahlung stattfinden würden, da nachträgliche Rückforderungen und das “dem Geld Nachlaufen” wegfallen würden. Zudem würden  Staaten weniger unter Druck stehen bei Fluglinien bei drohendem Konkurs einzuspringen, wenn keine Kundenforderungen bestünden.

Da nun fast alle Fluglinien angesichts der Pandemie vor finanziell großen Schwierigkeiten stehen, wird die Politik ihnen wohl keine Zusatzbelastung durch eine zwingende Insolvenzversicherung anordnen wollen. Als Alternative dazu wird zunehmend aber auch von höherrangigen Politikern wie etwa dem Saarländischen Verbraucherschutzminister Jost das Pay-as-you-check-in Modell zur Absicherung von Passagieren befürwortet. Die Idee, nach einer vorangegangen Reservierung erst beim Check-In effektiv bezahlen zu müssen, wenn der Flug wirklich stattfindet, ist verlockend.

Eine schrittweise Einführung, vorerst als geringfügig teurere Option, für Reisende wird zunehmend in Betracht gezogen und der Neustart der Reisebranche nach Covid-19 als günstiger Zeitpunkt angesehen, die Vorauskasse-Praxis in Frage zu stellen und zu ändern. Reisende könnten so selbst entscheiden, ob Ihnen diese Form der Stornoabsicherung gemäßigte Zusatzkosten wert ist, wenn die Zahlung erst bei Abflug erfolgt. Laut einer Studie der Hochschule Luzern würde ein allgemeiner Systemwechsel zu Pay-as-you-check-in mit 1,1% bei Pauschalreisen und 3,3% bei Flugbuchungen eine nur moderate Preiserhöhung ergeben.

Die Reiseindustrie, allen voran Airline-Manager halten hingegen pauschal dagegen, dass das Prinzip “Ware gegen Geld”, das etwa im Handel üblich ist, bei der Reisebuchung nicht anwendbar sei. Da die “Ware”, etwa ein Sitzplatz im Flugzeug, nicht so einfach an einen anderen Kunden übertragbar sei, wie zum Beispiel eine Hose im Geschäft, die einfach jemand anderer später kaufen wird, nachdem ein Kunde es sich überlegt hat.

Ein weiteres Argument ist der Verweis auf einen massiven Wettbewerbsnachteil und somit potentiell verlorene Arbeitsplätze bei lokalen Anbietern im harten globalisierten Wettkampf von Airlines, wenn nur einige zu Pay-as-you-check-in verpflichtet würden. Die Kontrolle über Ausgestaltung von Zahlungsmodalität und Preis, sowie die Aufgabe der Planungssicherheit aufgrund der Vorauszahlungen, wollen sich Fluglinien also nicht nehmen lassen.

Vorerst nur für Geschäftskunden bei Lufthansa & Co

Im März 2021 wurde angekündigt, dass Geschäftsreisende nun bei Lufthansa und deren Tochterfirmen Austrian, Swiss und Brussels Airlines in den Genuss von Pay-as-you-check-in kommen würden. Lufthansa führt dieses Modell als erste Airline überhaupt ein. Das Ende der Vorauskasse läuft dort unter dem Namen “Pay as you Fly”.

Unternehmen, die bei Lufthansa dieses B2B Angebot nutzen, müssen also bei Flugabsagen keine Rückerstattungen mehr beantragen und auch keine Storno- oder Umbuchungsgebühren mehr bezahlen. Die Vorteile der Fast Lane bleiben solchen Passagieren erhalten und es gelten keine Mindestumsätze. Allerdings gilt das Modell zunächst nur für innereuropäische Direktverbindungen. Es bleibt abzuwarten, ob das Buchungsmodell von anderen nachgeahmt wird und auch im touristischen Sektor ankommt.

Flex Tarife für Touristen

Aufgrund der Unplanbarkeit von Reisen im Zuge der Coronavirus-Pandemie, sind Touristen zaghaft und achten vermehrt auf günstige Stornobedingungen. Die Mehrheit bevorzugt nun, Reiseentscheidungen sehr kurzfristig zu treffen. Da Reisen derzeit schwer planbar sind und jederzeit durch Maßnahmen unmöglich oder mit einem unerwarteten Zusatzaufwand unattraktiv werden können, ist die Buchungslage in Reiseagenturen entsprechend verhalten.

Daher haben seit Anfang 2021viele große Pauschalreiseanbieter eine weitere Form von Bezahlmodell im Programm. Anders als bei Pay-as-you-check-in, wo man erst bei Antritt der Leistung bezahlen würde, versuchen sie Kunden durch flexiblere Buchungsmodalitäten zu gewinnen. Das Konzept kopiert das Prinzip von Beförderungsunternehmen mit steigenden Preisen zum Reisedatum hin, sprich je später die Pauschalreise verbindlich gebucht wird, desto teurer wird sie.

Meist gelten diese Flex-Tarife für Katalogpreise und sind mit Zusatzgebühren verbunden. Allerdings muss man dabei genau auf Einschränkungen im Sortiment achten, da nicht alle Angebote auch als Flex angeboten werden. Zudem können die AGBs der Anbieter unerwartet ungünstige Ausschlussklauseln bei Flex Angeboten enthalten.

Auch bei Flex Angeboten kann sich die Rückerstattung bei Absage in die Länge ziehen. Obwohl EU-weit Pauschalreisen bei Absage durch Reiseveranstalter binnen 14 Tagen rückerstattet werden müssten, ist nicht zu erwarten, dass Anbieter sich in diesen Fällen weniger säumig verhalten, als es bei während der Pandemie abgesagten und klassisch vorab bezahlten Pauschalreisen der Fall war. Je nach Reiseunternehmen bewegen sich die Flex Gebühren zwischen einigen Dutzend Euro bei günstigeren Reisen, und mehreren hundert Euro bei teureren Reisepaketen (ab etwa 5000 €).

Aufgrund der Coronakrise fühlen sich Pauschalreiseanbieter zu diesem Zusatzangebot an Flexibilität aus Konkurrenzgründen gezwungen. Branchenvertreter äußerten den Wunsch nach einer Abkehr von diesem Modell “nach Corona” zurück zu Buchungsmodellen “vor Corona”. Denn gesteigerte Flexibilität bei den Angeboten ist sowohl mit zusätzlichem Arbeitsaufwand und Kosten als auch mit weniger Sicherheit bezüglich der Auftragsauslastung verbunden. Auch hier gilt es abzuwarten und zu sehen, ob die coronabedingten Anpassungen bleiben, zurückgenommen werden oder gar weitergehende Veränderungen anstoßen.

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